Krim-Krise: Russlands Wirtschaft droht ein Nullwachstum

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Das Land ist von Auslandsinvestoren abhängig. 70 Prozent der russischen Wertpapiere sind in ausländischer Hand.

Russlands Präsident Wladimir Putin geht in der Krim-Krise ökonomisch voll auf Risiko. Der Absturz der Moskauer Börse um über zehn Prozent am Montag hat gezeigt: Die Investoren sitzen wegen der Kriegsgefahr auf gepackten Koffern. Dabei ist die russische Wirtschaft stark abhängig von den westlichen Milliarden. Auch wenn die Äußerungen von Wladimir Putin zur Krise auf der Krim die Anleger an den internationalen Finanzmärkten kurzfristig wieder aufatmen lassen, die globale Wirtschaft des Landes werde unter der Krim-Intervention leiden, sind sich Experten einig.

Der deutsche Aktienindex DAX sprang nach den Worten Putins, es gebe aktuell keinen Grund für einen Militäreinsatz in der Ukraine, auf ein Tageshoch, mit plus 1,73 Prozent überwand er wieder die Marke von 9.500 Punkten. Auch der europäische Leitindex EuroStoxx baute seine Gewinne aus. Er eroberte zu Mittag die Marke von 3200 Punkten zurück und stand zuletzt 2,19 Prozent höher als am Vortag.

Der Russland-Experte von Hermes Funds Managers, Gary Greenberg, schätzt, dass 70 Prozent der gehandelten russischen Aktien in ausländischer Hand sind. Hinzu kommt die Gefahr eines erneuten Rubel-Absturzes. Aus Sicht von Ökonomen ist bereits jetzt absehbar, dass die russische Wirtschaft wegen Putins Polit-Poker in die Rezession rutscht.

Konfrontation zerstören Vertrauen

Denn wirtschaftlich stand Russland schon vor der Krise keineswegs blendend da. Gerade einmal um 1,3 Prozent war die Wirtschaft im vergangenen Jahr gewachsen. Von Traumraten wie nach der Jahrtausendwende von im Schnitt sieben Prozent im Jahr ist das noch immer stark von Energieexporten abhängige Land weit entfernt. Russland benötigt westliches Kapital, um seine Wirtschaft zu differenzieren und global wettbewerbsfähig zu machen. "Russland braucht Investitionen aus dem Ausland und muss sicherstellen, dass russisches Geld im Land bleibt", sagt Chris Weafer von der Beratungsgesellschaft Macro-Advisory.

Sollte westliches Geld allerdings künftig einen Bogen um Russland machen, könnte das für russische Unternehmen fatal werden. "Russische Unternehmen gehören zu den aktivsten auf den internationalen Anleihemärkten", warnt Francesc Balcells vom kalifornischen Vermögensverwalter Pimco. Russland habe viel unternommen, um seinen Anleihenmarkt zu öffnen: "Jede Konfrontation mit dem Westen würde diese Erfolge zerstören."

Denn militärische Abenteuer auf der Krim sind Gift für das Investorenvertrauen. "Wenn die Krise anhält und Russland ein Staat wird, in dem man nicht investieren kann - ein Pariah-Staat - wird das Geld schlicht nicht kommen", warnt Weafer. Greenberg nennt Putins Kurs ein Warnsignal für Investoren. Daran ändert auch die von der Hoffnung auf eine politische Lösung getriebene Markterholung am Dienstag nichts. Putin zeigte sich demonstrativ unbeeindruckt von der Berg- und Talfahrt an den Börsen und nannte die Marktturbulenzen eine "taktische, vorübergehende" Entscheidung von Investoren.

Wachstum ist Russland gefährdet

Aus Sicht von Ökonomen ist dagegen schon absehbar, dass Russland einen Preis zahlen wird für die Krim-Intervention. "Ein BIP-Wachstum nahe null scheint jetzt realistisch", sagt Natalia Orlowa, Ökonomin bei der russischen Alfa Bank: "Und das wäre noch das Best-Case-Szenario ohne eine weitere Eskalation der Krise." Grund dafür sind aus Sicht der Experten die bereits ergriffenen Maßnahmen zur Stützung des Rubel, vor allem die Zinserhöhung der Notenbank von 5,5 auf sieben Prozent, die die Geldbeschaffung russischer Unternehmen weiter verteuern wird.

"Das Risiko einer Rezession bestand schon vor der Zinsanhebung, jetzt ist es weiter gewachsen", sagt Wladimir Kolytschew, Chef-Volkswirt bei VTB Capital. Orlowa warnt, manche zögen bereits Parallelen zum Finanzcrash von 2008. Damals trieb der kurze Krieg mit Georgien die Investoren aus dem Land - der Rubel büßte 30 Prozent seines Wertes ein.

Kapitalabfluss hält an

"Die Ereignisse legen nahe, dass der Netto-Kapitalabfluss sehr stark bleiben wird - und ich sehe auch keine Anzeichen dafür, dass sich das ändern wird", sagt Orlowa. Vergangenes Jahr waren 60 Mrd. Dollar (43,6 Mrd. Euro) mehr aus als in das Land geflossen, im Jänner waren es 17 Mrd. Dollar. Andere Experten wie Neal Shearing von Capital Economics in London warnen vor zu dramatischen Szenarien. Mit Währungsreserven von fast 500 Mrd. Dollar könne sich Russland kurzfristig gegen einen Rubel-Verfall stemmen und die Folgen klein halten. Aber auch er warnt, langfristig würden Auslandsinvestitionen gebraucht: "Die Krise schadet dem russischen Ansehen weltweit."

EU und Russland voneinander abhängig

Im Verhältnis zwischen EU und Russland besitzen beide Partner wegen der Verflechtungen Erpressungspotenzial. Aber eben deshalb könnten auch beiden die Hände gebunden sein. Es gebe ein "großes Widerstreben" in der EU gegenüber ökonomischen Sanktionen, urteilt Simon Evenett von der Universität Sankt Gallen. Die Energieexpertin Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung verweist darauf, dass Russland einen Großteil seiner Einnahmen aus den Gaslieferungen bezieht - also unter einer Drosselung selbst leiden würde.

(APA/Reuters)

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