U-Bahn-Chaos: "Wahrscheinlichkeit gegen Null"

Clemens Fabry
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Interview. Wiener-Linien-Geschäftsführer Günter Steinbauer sieht ein einmaliges technisches Problem als Ursache für den U-Bahn-Ausfall – ein Problem in einem Modem. Zu lange Wartungsintervalle hätten keine Rolle gespielt.

Die Presse: Am Dienstag standen in Wien mehrere U-Bahnlinien in der Stoßzeit still. Steckt hinter dem Vorfall ein einmaliger Fehler oder ein strukturelles Problem?

Günter Steinbauer: Es schaut nach einer unglücklichen Verkettung und einem einmaligen technischen Defekt aus. Laienhaft gesprochen: Es gibt ein Modem an beiden Enden der Fernsteuerung der Stellwerke – die gibt es doppelt. Wenn einer dieser Kreise ausfällt, sollte der zweite übernehmen. Die beiden haben nur eine Verbindung, weil der eine erfahren muss, wenn der andere eine Störung hat. Bei einem der Modems hat die Elektronik gesponnen. Und über die Störungsübertragung wurde die Fernsteuerung lahmgelegt.

Grundsätzlich sind die Systeme schon redundant?

Natürlich. Aber die Redundanz braucht auch eine minimale Datenverbindung, damit das zweite System erfährt, dass es übernehmen muss.

Wie wahrscheinlich ist es, dass ein solcher Vorfall passiert?

Eins zu mehreren Milliarden. Die Wahrscheinlichkeit tangiert gegen null, aber null gibt es in der Technik nicht.

Welche Konsequenzen zieht man nun aus dem Vorfall?

Wir sind mit dem Hersteller dieser Modems in intensivem Kontakt. Sie werden den bestehenden Teil zerlegen und schauen, warum es falsche Dinge gesendet hat. Wir prüfen auch, diese Teile durch eine neuere Bauart zu ersetzen, wenn sie systemkompatibel sind.

War es ein Wartungsproblem?

Nein. Die Stellwerke sind ja eine besondere Sicherheitsfrage. Daran hängt das gesamte System, das hat einen regelmäßigen Wartungsplan.


Warum waren gerade die Linien U3, U6 und U4 betroffen und nicht U1 und U2?

Die Leitstelle in Erdberg ist seit 2006 in Betrieb, vorher war sie am Karlsplatz. Alles was seit 2006 erneuert wurde, also U1 und U2, liegen direkt in Erdberg. Das braucht keine Fernsteuerung. Bei den Linien, die vorher vom Karlsplatz aus gesteuert wurden, wurden die Anlagen am Karlsplatz belassen und nur eine Fernsteuerung nach Erdberg verlegt. Darum waren die Linien betroffen, deren Rechenanlagen am Karlsplatz stehen.

Können Sie ausschließen, dass so etwas wieder vorkommt?

Zu Null ausschließen kann man nichts. Man kann nur versuchen, es möglichst sicher zu machen. Das werden wir auch versuchen. Aber praktisch ist ein Mal in zehn Jahren auch fast null. Auch wenn das für jeden Betroffenen unerfreulich ist. Wir sind selbst sehr betroffen. Aber sehr viel mehr als Dinge regelmäßig zu prüfen, ist einfach nicht machbar.

Wird es Entschädigungen für Fahrgäste geben?

Das ist anders als bei Fernverkehrsbahnen, etwa zwischen Wien und Salzburg, wo es ja wenig Alternativen gibt. Wir bieten in Wien ein vollständiges Netz an, natürlich mit Zeit- und Wegverlust, aber grundsätzlich kommt man überall hin. Darum machen wir Ersatzverkehr ja nur dort, wo es nicht geht, etwa zwischen Hütteldorf und Hietzing. Aber sonst war alles in Wien erreichbar, wenn auch mit Zeitverlust. Darum gibt es generell keine Ersatzleistungen.

Manche Menschen können aber sehr wohl dadurch Einbußen erlitten haben.

Wenn jemand ein spezifisches Problem hat, etwa eine Prüfung verpasst, kann er sich an unseren Kundendienst wenden. Da wird man versuchen, ihn zu unterstützen. Aber eine generelle Ersatzleistung – es war ja nicht die Stadt tot. Natürlich waren es wichtige Linien, aber nicht alle.

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