Der Stillstand der U-Bahn darf nicht Alltag werden. Wie sehr die Stadt Wien vom öffentlichen Verkehr abhängig ist und wie rat- und hilflos man ist, wenn es plötzlich nicht mehr geht.
Dass die U-Bahn ein paar Minuten lang auf sich warten lässt, ist ein Alltagsproblem, mit dem sich die Wiener arrangiert haben. Man schimpft ein bisschen, lästert darüber, dass die Wiener Linien lieber Geld in Info-Kampagnen investieren als in die Infrastruktur – und steigt am nächsten Tag dann doch wieder ein. Dass mitten in der Stoßzeit am späten Nachmittag drei U-Bahn-Linien plötzlich für eineinhalb bis zwei Stunden komplett ausfallen, hat eine andere Dimension. Dass nämlich – und das ist die erste Lehre daraus – aufgezeigt wird, wie sehr die Stadt Wien vom öffentlichen Verkehr abhängig ist, wie rat- und hilflos man ist, wenn es plötzlich nicht mehr geht.
Die zweite Lehre ist, dass ein technischer Defekt immer auch zumindest eine kleine politische Dimension hat – wenn etwa die Wiener ÖVP stilsicher vom „Super-GAU“ spricht oder Wiens FPÖ die „sprichwörtliche Unzuverlässigkeit“ der Wiener Linien herbeiventiliert. Die dritte Lehre wiederum zieht man daraus, wenn man versucht, sich an einen ähnlich gravierenden Vorfall im Wiener öffentlichen Verkehr zu erinnern. Den gab es in dieser Dimension nämlich nicht. Im Großen und Ganzen gelingt es den Wiener Linien gar nicht so schlecht, rund 900 Millionen Fahrgäste pro Jahr durch die Stadt zu transportieren. Und auch das Krisenmanagement rund um den Totalausfall lief – Lehre Nummer vier – weitgehend professionell ab.
Bleibt die Frage, was man für die Zukunft daraus lernen kann. Nun, dass technische Probleme auch weiter passieren können und werden. Dass aber die Wiener Linien Konsequenzen aus dem Totalausfall ziehen müssen, um ähnliche Vorfälle in Zukunft zu verhindern – damit nicht ein Alltagsproblemen daraus wird, mit dem man sich irgendwann arrangiert. Man lebt ja in Wien. Nicht in London.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.03.2014)