Grundwehrdiener in der Giftküche

Grundwehrdiener bei der Ausbildung  in Vyskov
Grundwehrdiener bei der Ausbildung in Vyskov (c) Bundesheer/GunterPusch
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Die ABC-Abwehrtruppe übt in Tschechien den Umgang mit chemischen Kampfstoffen. Das spart Geld: Angesichts der knappen Budgets arbeiten die Truppen international zusammen. Knapp die Hälfte sind Grundwehrdiener.

Vyskov. Bevor es in die „heiße Zone“ geht, noch einmal ein Test. Ja, die Maske sitzt. Auch die Belüftung der Uniform funktioniert. Alles dicht, der Anzug passt. Von dem Reizgas, das in dem kleinen Raum ausgesondert wird, bekommt Rene Luger nichts ab.

Erst nach diesem Check geht es für den 20-jährigen Rekruten in das kontaminierte Gebiet. Langsam, denn mit der Uniform aus Gummi mit all den Schläuchen ist man nicht wirklich gelenkig. Auf einem betonierten Platz steht ein alter Panzer, in einer Ecke rostige Bomben und Granaten. Und irgendwo sind chemische Kampfstoffe ausgesetzt worden. Luger muss sie nur noch finden.

74 Soldaten des österreichischen Bundesheeres üben seit Montag bis morgen, Freitag, hier im tschechischen Vyskov den Umgang mit chemischen Kampfstoffen. Knapp die Hälfte sind Grundwehrdiener. So wie Rene Luger haben sie sich freiwillig zur Übung gemeldet.

Anlage in Österreich fehlt

Das Training gehört zur Ausbildung der ABC-Abwehrtruppe. Die Experten für atomare, biologische und chemische Kampfstoffe können im Labor, aber auch im Freien üben. In Österreich wäre dies nicht möglich – dazu fehlt dem Bundesheer die nötige Anlage. Aber so ist es dem heimischen Militär ohnehin lieber: Denn mit der internationalen Zusammenarbeit spart sich das Heer Geld. Sich für einige Tage nach Tschechien zu begeben, ist immer noch billiger, als im eigenen Land eine solche Infrastruktur aufzubauen. Die Zusammenarbeit gibt es zwar bereits seit der Jahrtausendwende. Sie war aber – angesichts des neuen Sparpakets für das Heer – wohl noch nie wichtiger: Mehr als 42 Millionen Euro muss das Verteidigungsressort allein in diesem Jahr einsparen. Und auch das Budget für das nächste Jahr wird wieder unter die Zwei-Milliarden-Grenze fallen.

„Pooling and Sharing“ nennt sich diese Kollaboration zwischen den Staaten. Die gibt es bereits in vielen verschiedenen Bereichen: Die deutsche Bundeswehr absolviert etwa einen Teil ihrer Ausbildung in Österreich. Und die heimischen Eurofighter-Piloten üben wiederum in Süditalien. Jetzt, da die Budgets der Verteidigungsressorts in nahezu allen europäischen Staaten schrumpfen, wächst auch die Bedeutung dieser Zusammenarbeit. Verteidigungsminister Gerald Klug (SPÖ) betont nicht umsonst immer wieder bei Interviews, dass „der sicherheitspolitische Zug“ nach Europa fährt.

500 Euro pro Soldaten

Mit 500 Euro Kosten pro Soldaten ist die Ausbildungswoche in Vyskov noch relativ günstig. Denn die Kampfstoffe wie Sarin und Senfgas stellt – in geringen Mengen – das tschechische Verteidigungsressort zur Verfügung. Auch um die Beseitigung müssen sich die Österreicher nicht kümmern.

Für Luger, der inzwischen wieder seine Maske abgenommen hat, hat es sich ausgezahlt. Die Übung sei fehlerfrei verlaufen, erzählt der Tiroler. „Ich überlege jetzt auch, mich für die Miliz zu melden.“ Andere Kollegen sehen es etwas anders: „Ich bin zwar froh, dass ich den Grundwehrdienst bei der Kompanie gemacht habe.“ Es sei auf jeden Fall spannend gewesen. „Verlängern will ich aber nicht.“

Auch wenn die meisten Grundwehrdiener nach den sechs Monaten nicht beim Heer bleiben – für Ausbildner Dieter Rothbacher ist dieses Training dennoch besonders wichtig. Nur so könne die Truppe Vertrauen in ihre Ausrüstung bekommen und im Notfall wissen, wie man korrekt handle.

Husseins Waffen zerstört

Er spricht dabei aus Erfahrung: Einen Teil der Chemiewaffen-Experten, die die Organisation für das Verbot von Chemiewaffen (OPCW) nach Syrien geschickt hat, hat er ausgebildet. Für die UNO hat er außerdem Saddam Husseins ABC-Waffen zerstört.

AUF EINEN BLICK

Die ABC-Abwehrtruppe ist auf atomare, biologische und chemische Waffen spezialisiert. Ihre Aufgaben reichen von der Aufbereitung von verunreinigtem Trinkwasser bis hin zur Befreiung von Personen aus kontaminierten Gebäuden. Bereits seit 2000 findet ein Teil der Ausbildung der Soldaten im tschechischen Vyskov statt:
Die Nutzung der Anlage im Ausland ist billiger als die Schaffung einer gleichartigen Anlage in Österreich.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.03.2014)

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