Causa Burg: Ostermayer plant Tabula rasa

Ostermayer
Ostermayer(c) Clemens Fabry
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Der Kulturminister lässt wegen der Misere am Burgtheater prüfen, „ob zusätzliche Schritte zu leisten sind, um weiteren Schaden abzuwenden“. Nur so könne man unbelastet weiterarbeiten.

Die Presse: Am 1. März, Ihrem ersten Arbeitstag als Minister für Kultur, haben Sie eine rechtliche Prüfung des Burgtheaters veranlasst, das mit Finanzproblemen und Malversationen kämpft. Ist die Lage so dramatisch?

Josef Ostermayer: Ja. Ich hätte gern über die Stücke auf der Bühne diskutiert, nicht über das Drama hinter der Bühne. Die Situation ist krisenhaft. Ich war vor zweieinhalb Wochen bei der Berlinale, zur Uraufführung von „Macondo“, als ein E-Mail des Burgtheater-Ensembles bei mir eintraf. Darin wurde Direktor Matthias Hartmann und Bundestheaterholding-Chef Georg Springer das Misstrauen ausgesprochen. Das ist keine alltägliche Situation. Es gibt eine Lücke im Budget, die geschlossen werden muss. Wir suchen möglichst eine Lösung, die kein zusätzliches Beben verursacht.

Letzten Donnerstag hat Springer gesagt, er übernehme Mitverantwortung, Hartmann hingegen nicht. Er sei als künstlerischer Geschäftsführer nicht für kaufmännische Belange in seinem Haus zuständig.

Aufgrund seines Vertrages, der Geschäftsordnung sowie des GmbH- und Bundestheater-Organisationsgesetzes ist die Sache klar. Hartmann trägt auch für den kaufmännischen Teil Mitverantwortung, das ist unbestritten. Dafür hätte ich kein zusätzliches Rechtsgutachten gebraucht. Vielmehr stelle ich mir die Frage, ob zusätzliche Schritte zu leisten sind, um weiteren Schaden abzuwenden, oder ob gar Schadenersatzforderungen geltend zu machen sind. Ich habe keine Lust, zusätzliche Köpfe rollen zu lassen, aber wenn es notwendig ist, dann müsste auch dieser unangenehme Schritt gesetzt werden. Genau das wird jetzt geklärt.

Bedarf es noch mehr als eines Budgetdefizits von angeblich 8,3 Mio. Euro, um einzugestehen, dass die Geschäftsführung, deren Vorsitzender Hartmann war und ist, nicht optimal gearbeitet hat?

Es geht darum, in welchen Details und mit welchen Folgen das geschehen ist. Neben dem Rechtsgutachten, das die gesellschafts-, arbeits- und schadenersatzrechtlichen Fragen klärt, habe ich auch den Rechnungshof ersucht, diese Vorgänge zu überprüfen. Es ist gescheit, all das gemeinsam zu klären, um nach einer Tabula rasa unbelastet weiterarbeiten zu können. Für die Schauspielerinnen und Schauspieler, ja für alle Mitarbeiter ist das eine äußerst unangenehme Situation. Niemand hat Lust, in einem Betrieb zu arbeiten, dessen Interna ständig diskutiert werden. Die schwierigste Aufgabe besteht darin, wieder Ruhe hineinzubringen. Die Themen werden erst verschwinden, wenn und weil sie aufgeklärt sind. Ich möchte das so rasch wie möglich erledigen. Darum habe ich auch sofort nach meiner Rückkehr aus Berlin Ensemblemitglieder eingeladen und sie gefragt, wie es ihnen geht.

Eine Schauspielerin sagte laut dem Autor Joachim Lottmann auf taz.blogs, ihr „grusle davor, dass ein Mob von unten das Sagen in der Burg bekäme“. Wie erleben Sie die Stimmung dort?

Den Begriff Mob verwende ich nicht, Mob von unten schon gar nicht. Es waren Schauspieler wie Michael Heltau, Maria Happel, Peter Matić, Petra Morzé, Dorothee Hartinger und Johannes Krisch bei mir. Die haben mir einfach ihre Sorgen mitgeteilt. Sie haben auch gesagt, dass sie das Gespräch als gut empfunden haben, so wie ich. Es ging ihnen aber nicht um Personen, sondern um ein Problem, das man gemeinsam lösen will. Nächsten Dienstag gibt es das nächste Gespräch mit dem Ensemble bei mir. Das ist mir sehr wichtig. Die Situation ist sehr ernst. Das Burgtheater ist nicht irgendetwas.

Ist der Riss in der Burg noch zu kitten?

Wir werden keine zusätzlichen Steuermittel aufwenden und das Problem trotzdem lösen. Auch mit den übrigen Häusern der Holding führen wir Gespräche, mit Staats- und Volksoper. Aber wir werden darauf achten, dass jetzt nicht eine Diskussion über alle entsteht. Sie müssen nichts befürchten.

Wie soll das Defizit beglichen werden?

Ein Teil dieser 8,3 Millionen Euro hängt tatsächlich mit der Frage zusammen, über welchen Zeitraum die Produktionen abgeschrieben worden sind. Dazu muss man auch fragen, welche Rolle die Prüfer gespielt haben. Von PricewaterhousCoopers (PwC) wurden Abschreibungen bis zu fünf Jahre akzeptiert. Die KPMG hat noch im Februar 2013 einen Bericht mit uneingeschränktem Bestätigungsvermerk vorgelegt. Warum war damals alles in Ordnung und danach nicht mehr? Hätte man damals etwas beanstandet und aufgezeigt, hätte man vielleicht früher etwas vermeiden können.

Vor der KPMG hat PwC die Burg fünf Jahre geprüft. Wird die PwC nun auch überprüft?

Ja. Die Rechnungshof-Prüfung erstreckt sich nämlich über einen größeren Zeitraum.

Ist Ihnen klar, wie es zu diesem Defizit kam? Wurde zu kostspielig produziert?

All diese Fragen wird uns hoffentlich der Rechnungshof beantworten.

Sowohl Sie als Minister als auch die Holding haben Rechtsgutachten in Auftrag gegeben. Weshalb wird parallel agiert?

Die Holding hat rechtlich jene Fragen zu klären, die das Burgtheater betreffen. Würden arbeits- oder schadenersatzrechtliche Konsequenzen erforderlich sein, dann müsste die Holding aktiv werden. Denn das Ministerium hat zwar den Burgtheater-Direktor bestellt, aber Vertragspartner ist die Holding.

1999 gab es die Ausgliederung. Kann man sie 15 Jahre danach als geglückten Schritt bezeichnen? Es gab doch Knackpunkte.

Diese Knackpunkte haben aber nichts mit der Holdingstruktur zu tun. Zuvor gab es den Bundestheaterverband, nun hat man für jede Spielstätte eine GmbH-Konstruktion gewählt. Natürlich kann man immer die Wahl der Rechtsform hinterfragen. Aber wenn man davon ausgeht – und das tue ich –, dass ein Theaterbetrieb ein Wirtschaftsbetrieb ist, halte ich die Entscheidung für eine GmbH für durchaus adäquat. Eine andere Frage ist, ob die Aufgabenstellung der Holding die richtige ist. Sie ist extrem schlank konstruiert worden. Natürlich kann dort nicht das gesamte Controlling in einer intensiven Art und Weise abgebildet werden. In Wahrheit handelt es sich um eine Steuerungsholding. Eine Diskussion, die auch immer wieder stattfindet, ist, ob die Verteilung der Subventionen des Staates in der Holding stattfinden oder ob das die Aufgabe des Ministeriums sein soll. Das ist in Wahrheit eine Geschmacksfrage.

Die Mandate der Aufsichtsratsmitglieder laufen im Herbst 2014 aus. Sie alle müssen sich die Frage gefallen lassen, ob sie ihrer Kontrollaufgabe ausreichend nachgekommen sind. Haben Sie überlegt, ob Sie an der Besetzung des Organs etwas ändern wollen?

Nein, das habe ich mir noch nicht überlegt. Was im Herbst stattfindet, beginne ich im Juni zu überlegen. Nach meinem derzeitigen Wissensstand kann ich aber  nicht erkennen, dass sich der Aufsichtsrat etwas hat zuschulden kommen lassen. Wenn ein Wirtschaftsprüfer einen uneingeschränkten Bestätigungsvermerk erteilt, dann würde ich den Prüfer auch nicht noch einmal hinterfragen. Ich habe den Eindruck, dass die Aufsichtsratsmitglieder genau wissen, was sie tun.

Das Burgtheater ist ein Nationaltheater. Was stellen Sie sich darunter vor?

Wie das Gesetz vorsieht, wird am Burgtheater die ganze gewünschte Breite tatsächlich abgebildet. Es werden nicht nur Klassiker gespielt, sondern auch zeitgenössische Theaterformen. Aber Ihre Frage impliziert auch die nach den diversen Spielstätten. Im Gesetz werden nur die Burg und das Akademietheater genannt. Wenn wir uns künftige Budgets anschauen, müssen wir uns die Frage nach der Machbarkeit stellen. Das ist auch eine Diskussion, die derzeit zwischen Aufsichtsrat, Holding und der Geschäftsführung der Burg stattfindet.

Sie haben schon klargestellt, dass es von Ihnen nicht mehr an Subventionen gibt.

Stimmt, es gibt nicht mehr. Man muss sich daher überlegen, wie viele Premieren man sich künftig leisten kann, neue Stücke und Produktionen müssen mit dem vorhandenen Geld bestritten werden.

Wie wird man an der Burg die fehlenden Eigenmittel zusammenkratzen?

Das muss sich die Holding überlegen und tut das auch. Vom Verkauf der Probebühne bis zum Verkauf einer Wohnung im Hanuschhof und zur räumlichen Reorganisation wird alles angedacht. In den nächsten Wochen wird es konkrete Ergebnisse geben.

Nehmen Sie Sorgen von Volks- und Staatsoper wahr, womöglich fürs Debakel der Burg in die Bresche springen zu müssen?

Ja. Aber in den Gesprächen, die gerade stattfinden, ist es mir gelungen, so hoffe ich jedenfalls, diese Sorge zu entkräften.

Wenn wir in einem Jahr wieder ein Interview über die Burg mit Ihnen führten, worüber würden Sie dann sprechen wollen?

Ich würde mir sehr wünschen, dass wir über die Burg reden, aber anders. Schön wäre es, wenn wir über die aktuellste Produktion sprechen und Sie die als ganz hervorragend bezeichnen – oder auch als grandios gescheitert.

DEFIZIT UND STEUERNACHZAHLUNG

Das Burgtheater muss für 2012/13 mit einem Budgetdefizit von 8,3 Millionen Euro rechnen. Dafür soll auch die veränderte Abschreibungsmethode, die die Wirtschaftsprüfer erstmals für 2011/12 forderten, ausschlaggebend sein. Dazu kommen noch bis zu fünf Mio. Euro an Steuernachzahlung, da die Geschäftsführung verabsäumt haben soll, für ausländische Gäste die Quellensteuer abzuführen. Wie die Löcher gestopft werden, ist noch unklar.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.03.2014)

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