Mineralogie: Weit unter unseren Füßen liegt ein Meer

Jules Vernes Reisende, illustriert von ?douard Riou, am unterirdischen Meer. Wieder hinauf kamen sie, wie der jetzige Fund, mit einem Vulkan.
Jules Vernes Reisende, illustriert von ?douard Riou, am unterirdischen Meer. Wieder hinauf kamen sie, wie der jetzige Fund, mit einem Vulkan.(c) Wikipedia
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In einem Diamanten aus 600 Kilometern Tiefe findet internationales Team mit Wiener Beteiligung Wasser.

Als sie auf ihrer Reise hinab zum Mittelpunkt der Erde – begonnen haben sie in einem Vulkan in Island – schon weit sind und ihnen das Wasser ausgeht, hört der lokale Führer der Gruppe, der Eiderentenjäger Hans Bjelke, hinter einer Felswand etwas rauschen. Er schlägt ein Loch, das Wasser kommt, sie nennen es Hansbach. Dann ziehen sie weiter hinab, finden immer mehr Wasser, am Ende ein regelrechtes Meer. Von dessen Strömungen werden sie mitgerissen, dann geht es einen gigantischen Wasserfall hinunter, aber die Reisenden haben Glück, aufsteigendes Magma transportiert sie in die Gegenrichtung, ein Vulkan spuckt sie wieder an die Erdoberfläche, diesmal der Stromboli.

So weit Jules Verne, er hatte eine blühende Fantasie, sie war oft genug prophetisch, er war auch auf dem Stand der Wissenschaft. In der gab es Streit darüber, ob es tief in der Erde und deren Hitze Wasser gibt, und das auch noch in Mengen. Wie sollte es hinabkommen, und wie wieder herauf? Letzteres geht auf dem Weg, der auch Jules Vernes Reisende zurück nach oben brachte, im Magma von Vulkanen kommt manches mit, aus großen Tiefen: Diamanten. Die in einer Mine in Juina in Brasilien stammen von ganz weit unten, aus der Übergangszone – zwischen dem oberen und dem unteren Mantel –, sie liegt in 410 bis 660 Kilometern Tiefe, dort hat es 1400 bis 1600 Grad Celsius. Und dort ist irgendetwas Besonderes, man sieht es daran, dass seismische Wellen von Erdbeben abrupt die Geschwindigkeit ändern.

Fantasie wie Jules Verne: Ted Ringwood

Was das sein könnte, beschäftigte lange die Fantasie der Forscher, und die des australischen Geologen Ted Ringwood stand der von Jules Verne kaum nach: Er postulierte in den 1950er-Jahren, dass in der Übergangszone ganz besondere Olivine lagern. Das sind Minerale, sie haben ihren Namen von ihrer Farbe und sie sind der Hauptbestandteil des oberen Erdmantels, es sind Silikate, A2SiO4, das „A“ kann für Verschiedenes stehen, Mangan etwa oder Eisen. Diese Olivine sind staubtrocken, aber Ringwood hat vermutet, dass sie unter hohem Druck andere Kristallformen annehmen – und dass sie Wasser aufnehmen könnten. Solche Formen konnte er 1966 im Labor herstellen, 1969 fanden sie sich in der Natur, in Meteoriten.

Da nannte man dieses Olivin nach seinem Ersinner: Ringwoodit. Just das hat eine Gruppe um Graham Pearson (University of Alberta) nun in einem Diamanten der brasilianischen Mine gesichtet (Nature, 507, S. 221). Er stammt aus 600 Kilometern Tiefe, ist winzig, 0,09 Gramm, der Einschluss ist natürlich noch winziger, ein Dreißigstel Millimeter, zudem suchten die Forscher gar nicht nach Ringwoodit. Aber Pearsons Mitarbeiter John McNeill hatte Glück, er entdeckte den Einschluss. Analysiert wurde dann, mit Spektroskopie und Röntgenmethoden, auf der halben Erde, unter anderem im Labor von Lutz Nasdala an der Uni Wien: Im Ringwoodit im Diamanten ist Wasser, etwa 2,5 Gewichtsprozent. „Die Theorie, dass die heiße Schmelze im Erdmantel wasserfrei sei, haben wir damit widerlegt“, erklärt Nasdala.

Und so winzig der Fund auch ist: Wenn man von ihm hochrechnet, könnten in der Übergangszone 1,4 x 1021 Kilo gebunden sein. Das ist etwa so viel wie in allen Weltmeeren zusammen. Von denen kommt auch immer wieder Nachschub nach unten, in den Subduktionszonen der Plattentektonik, wo die Erdkruste tief hinabgeschoben wird. Umgekehrt kommt immer wieder welches herauf – aus nicht ganz so großen Tiefen –, mit dem gleichen Magma der Vulkane, in dem nun der Ringwoodit gefunden wurde, und das vermutlich ganz zu Beginn alles Wasser auf die Oberfläche der Erde gebracht hat, die ausgeglüht war von der heißen Geburt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.03.2014)

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