Wenn Banken wanken: Der Stress mit dem Eigenkapital

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Ob "too big to fail" oder Landeshaftung: Die Steuerzahler haben es satt, von Banken als Vollkaskoversicherung ohne Selbstbehalt missbraucht zu werden.

Seltsam: Der Finanzminister benötigt dringend Geld fürs Budget und für die Hypo-Katastrophe. Hingegen gibt es die eine oder andere Großbank, die ihr in der Krise aufgenommenes Staatsgeld zurückzahlen will – und nicht so recht darf, weil sich die Finanzmarktaufsicht querlegt. Irgendwie seltsam.

Oder auch nicht: Die Finanzmarkthüter – die hier übrigens zum ersten Mal in größerem Stil gegen die Regierungslinie schwimmen – haben natürlich gute Gründe dafür, dass sie das Geld zumindest vorläufig lieber in der Bank als im Spindelegger'schen Budgetloch sähen: Osteuropa, die einstige Erfolgsgeschichte für die dort sehr massiv vertretenen österreichischen Banken, ist zurzeit in weiten Teilen eher „misery in progress“. Finanzplätze wie die Ukraine, Ungarn oder Rumänien sind zu schwarzen Löchern mutiert, die Bankaktiva magisch anziehen und verschlingen.

Vor allem von der Ukraine geht enorme „Ansteckungsgefahr“ aus. Der britische Finanzstratege Russell Napier etwa meinte vor ein paar Wochen, in zehn Jahren werde man die kommende Krise nur noch die Osteuropa-Krise nennen. Das muss nicht so krass kommen. Aber die Überlegung, lieber das „alte“ Geld noch ein wenig liegen zu lassen, als demnächst wieder – mit allen negativen Begleiterscheinungen der öffentlichen Diskussion – über neuerliche Kapitalhilfen zu reden, hat schon etwas für sich.

Schon im kommenden Herbst wird es kritisch: Vor dem Übergang der Großbankenzuständigkeit von den nationalen Behörden auf die EU-Ebene wird ja noch ein europaweiter Bankenstresstest durchgeführt. Bei diesem müssen die Geldinstitute nachweisen, dass ihre Eigenkapitalausstattung ausreicht, um auch größere Krisen eigenständig zu durchtauchen. Diesmal soll der Stresstest, so hört man, diesen Namen wirklich verdienen. Wer durchfällt, muss sein Kapital auffüllen – und hat noch dazu einen enormen Imageschaden.

Dieser Stresstest ist wohl einer der Hauptgründe dafür, dass die österreichischen Banken derzeit so radikal Bilanzputz betreiben – und alles abschreiben, was sich noch schnell abschreiben lässt. Und dass sie sich Eigenkapital auf dem Markt buchstäblich um jeden Preis besorgen – und sei es zum Preis einer Aktienemission unter dem Buchwert.

So „gestärkt“ wird der Stresstest vielleicht ein bisschen weniger stressig. Auch für uns Nichtbanken, wie es in den Notenbankstatistiken so nüchtern heißt. Denn die Institute, um die es hier geht, sind allesamt immer noch „too big to fail“. Wir geben für sie also, auch als völlig unbeteiligte Steuerzahler, eine unausgesprochene Haftungserklärung ab. Beruhigend, wenn die Aufsichtsbehörden da ein bisschen harscher werden, auch wenn dies dem Ego der beteiligten Banker widersprechen sollte.


Was laxe Aufsicht für Folgen haben kann, sehen wir ja gerade beim Gemurkse um die Hypo Alpe Adria. Da hat konzentriertes Wegschauen von FMA, Notenbank, Staatskommissären und Regierung in den wilden Nullerjahren zu einem wahrscheinlich zweistelligen Milliardenschaden geführt. Die Mischung aus Selbstüberschätzung, Größenwahn und Großkriminalität, die zu diesem Skandal geführt hat, hat mit dem seriösen normalen Bankgeschäft der anderen Institute natürlich nichts zu tun. Bis auf eines: Auch hier haften alle österreichischen Steuerzahler ungefragt, dafür aber in vollem Umfang und allein.

Dass die EU im Verein mit den nationalen Aufsichtsbehörden jetzt eine bessere „Krisenausstattung“ der Banken durchdrückt, ist so gesehen ein erster guter Schritt. Was aber noch folgen muss, ist die Wiederzusammenführung von Gewinn und Risiko. Also die Einführung echter Marktwirtschaft in der Finanzbranche. Wie das geschieht – etwa durch die Einführung eines Trennbankensystems, den weiteren Bilanzsummenabbau, die rigorose Privatisierung von Landesbanken –, ist nicht so wichtig, wie dass es geschieht. Denn die Steuerzahler haben, wie man den ziemlich einhelligen Reaktionen auf die Hypo-Krise ganz gut entnehmen kann, die Nase gestrichen voll davon, von der Finanzwirtschaft permanent als Vollkaskoversicherung ohne Selbstbehalt missbraucht zu werden.

E-Mails an:josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.03.2014)

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