Wenn Euro-Notenbanker starke Worte fallen lassen

Mario Draghi
Mario Draghi(c) APA/EPA/HERBERT PFARRHOFER
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Mario Draghi bekommt einen Preis, hält eine Festrede – und holt bei der Gelegenheit gleich den Eurokurs auf den Boden. Tatsächlich macht sich die EZB ernste Konjunktursorgen.

Wien. Für normale Ohren klang die Sache ziemlich einschläfernd: Mario Draghi, Chef der Europäischen Zentralbank und damit oberster Euro-Hüter, nahm im ehrwürdigen Kassensaal der Nationalbank in Wien den Schumpeter-Preis entgegen und erklärte in der folgenden „Lecture“ in der gewohnt schwurbeligen Notenbankersprache die Währungswelt. Eine Deflation, meinte er sinngemäß, sei natürlich möglich, wenn auch nicht wahrscheinlich, und sollte sie drohen, werde die Euro-Notenbank natürlich Maßnahmen setzen.

Den steigenden Eurokurs, der nicht besonders günstig für das Wachstum in Europa sei, schaue sich die EZB natürlich ebenso an, meinte Draghi. Die Aufwertung des Euro könne zu einer „Veränderung der Teuerungserwartung“ führen und müsse deshalb „in der Reaktion der Geldpolitik berücksichtigt“ werden.

„No na, was Sie nicht sagen, Draghi“, würde der Normalzuhörer im Festpublikum jetzt gelangweilt raunzen – und sich wieder dem Smartphone-Surfen zuwenden. Nicht so der Währungsexperte oder Euro-Spekulant: Der sieht in Bemerkungen wie „Änderung der Teuerungserwartung“ und „muss bei der Reaktion der Geldpolitik berücksichtigt werden“ eine klare Ansage zu einer geldpolitischen Lockerung.

Und so war dann auch die Reaktion, als die Finanzagenturen die Draghi-Festrede gegen 19 Uhr in die Welt hinausjagten: Sekunden später fanden sich die Draghi-Aussagen prominent auf der Website der „New York Times“. Und der Euro, der zu Mittag mit einem Kurs von rund 1,40 Dollar ein Mehrjahreshoch fixiert hatte, war senkrecht auf 1,3846 Dollar abgestürzt.

(c) Die Presse

Die Erklärung für die ausgesprochen starke Marktreaktion lieferten EZB-Watcher und Währungsexperten später nach: Draghi habe Worte gebraucht, die stärker als gewöhnlich waren. Und das sei ein Hinweis darauf, dass die EZB nun wesentlich sensibler als erwartet auf Euro-Höhenflüge reagiere.

Tatsächlich macht sich die EZB ernste Konjunktursorgen. Nicht nur, aber auch wegen der Eurostärke. Die Eurozone ist zwar auch im vierten Quartal 2013 gewachsen, mit 0,3 Prozent aber so schwach, dass das Ganze schon fast in den Bereich statistische Schwankungsbreite fällt. Mitverantwortlich dafür ist der seit Monaten steigende Eurokurs, der Exporte aus dem Euroraum verteuert und damit behindert.

Hält diese Entwicklung an, dann droht das Wachstum wieder zu kippen – und die Eurozone in die gefürchtete Deflation zu fallen. Schrumpfende BIP-Werte würden bedeuten, dass die Staatsschuldenquoten in den Euroländern selbst ohne zusätzliche Schuldenaufnahmen steigen. Und das ist Gift für die bereits jetzt hoch verschuldeten Euroländer.

Die Euro-Notenbank versucht seit einiger Zeit verzweifelt, ein bisschen Inflation zu schaffen, um in die Nähe ihres selbst erklärten Inflationsziels von „knapp unter zwei Prozent“ zu kommen. Davon ist sie jetzt mit einer Euro-Inflationsrate von 0,8 Prozent weit entfernt. Nicht gerade ein Zeichen dafür, dass der Aufschwung beginnt.

Jetzt erwarten die Märkte, dass die EZB ihr Anti-Deflations-Waffenarsenal auspackt. Und Draghi hat das in Wien zumindest angedeutet. Bei den Zinsen lässt sich allerdings nicht mehr viel machen: 0,25 Prozentpunkte noch – und sie stehen auf null. (ju)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.03.2014)


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