Malaysia-Airlines-Flug MH370 wird zum Kriminalfall

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Ein Ortungssystem wurde noch vor dem letzten Funkspruch deaktiviert. Piloten und Passagiere rücken daher in den Fokus der Ermittler. Es gab erste Hausdurchsuchungen.

Kuala Lumpur/Bangkok. Malaysia-Airlines-Flug MH370, der vor mehr als einer Woche mit 239 Menschen an Bord auf dem Weg von Kuala Lumpur nach Peking spurlos verschwand, ist schon jetzt eines der größten Rätsel der Luftfahrtgeschichte. Doch nun wandelt sich der mysteriöse Vorfall immer mehr in einen Kriminalfall: Die Behörden in Malaysia gehen mittlerweile davon aus, dass jemand an Bord bewusst das Ortungs- und ein Datenfunksystem zur Übermittlung von Flugbetriebsmeldungen deaktiviert und das Flugzeug absichtlich weitab seines geplanten Kurses gesteuert hat.

Die neuesten Erkenntnisse sind beunruhigend. Denn die gezielte Deaktivierung dieser Systeme und das Einhalten des Kurses, den das Flugzeug anschließend eingeschlagen hat, erfordern ein großes Fachwissen, wie es eigentlich nur Piloten haben können. Hinzu kommt, dass den Ermittlungen zufolge Pilot Zaharie Ahmad Shah noch mit der malaysischen Flugüberwachung gesprochen hat, nachdem das Datenfunksystem bereits deaktiviert war. Das hat Malaysias Regierung am Sonntag bestätigt.

Boeing absichtlich umgelenkt

In dem kurzen Funkspruch, mit dem sich der Pilot von der malaysischen Flugüberwachung abgemeldet hat – „In Ordnung, gute Nacht“ –, gab es jedoch keine Anzeichen dafür, dass es an Bord Probleme geben könnte. Auch haben die Piloten nicht von einem Alarmsystem Gebrauch gemacht, mit dem sie auf eine mögliche Entführung hätten aufmerksam machen können.

Das deutet darauf hin, dass zumindest einer der Piloten bewusst oder unter Zwang gehandelt hat. Damit rücken die Piloten immer stärker in den Fokus der Ermittler. Malaysias Premierminister Najib Razak bereitete am Samstag in einer Pressekonferenz tagelangen Spekulationen ein Ende, indem er erklärte, dass das malaysische Militärradar und Satellitendaten darauf hindeuteten, dass das Flugzeug absichtlich auf einen anderen Kurs gesteuert worden ist.

Das ausgeschaltete Datenfunksystem lässt sich Experten zufolge nur mit einem Eingriff in die Bordtechnik vollständig deaktivieren, der Piloten in aller Regel nicht bekannt ist. Auch wenn dieses System ausgeschaltet ist, sendet es weiterhin regelmäßig Kontaktaufnahmesignale an Satelliten. Das ist bei dem vermissten Flug MH370 noch mehrere Stunden lang erfolgt. Den Ermittlungen zufolge war das Flugzeug nach dessen Verschwinden noch sieben Stunden lang in der Luft.

Die Position des vermissten Flugzeugs wurde bei der Übermittlung der Kontaktaufnahmesignale nicht übermittelt. Ermittler haben jedoch aus den verfügbaren Daten berechnet, auf welchem Kurs sich MH370 wahrscheinlich befunden hat. Diesen Berechnungen zufolge gibt es zwei Möglichkeiten: Das Flugzeug war entweder in Richtung Nordwesten unterwegs, durch die Lufträume von unter anderem Indien, Pakistan und Afghanistan. Oder aber, und diese Variante sehen Experten als wahrscheinlicher an, das Flugzeug ist über das Meer in Richtung Südwesten geflogen, auf den Südpol zu. Malaysias Regierung erklärte, sie habe die Regierungen von 25 Staaten um Hilfe bei der Suche nach dem vermissten Flugzeug gebeten.

Flugsimulator beschlagnahmt

Malaysias Verteidigungsminister Hishammuddin Hussein bestätigte am Sonntag, dass die Polizei am Wochenende die Häuser von Pilot Zaharie Ahmad Shah und seines 27-jährigen Ko-Piloten Fariq Abdul Hamid durchsucht hat. Dabei haben die Beamten in Zaharies Haus einen Flugsimulator einer Boeing 777 beschlagnahmt, den Shah – der als technikbegeistert gilt – schon einmal in einem YouTube-Video und auf seiner Facebook-Seite vorgeführt hat.

Die Behörden ließen jedoch wissen, dass nicht nur gegen die Piloten ermittelt werde, sondern dass nun die Hintergründe sämtlicher Personen, die an Bord waren, durchleuchtet würden. „Wir appellieren an die Öffentlichkeit, hinsichtlich der polizeilichen Ermittlungen nicht zu voreiligen Schlüssen zu kommen”, schrieb Verteidigungs- und Transportminister Hishammuddin auf dem Kurznachrichtendienst Twitter.

AUF EINEN BLICK

Flug MH370. Die seit mehr als einer Woche verschollene Boeing wurde nach Angaben der malaysischen Behörden nicht nur bewusst umgelenkt. Das Datenfunksystem an Bord wurde auch vor dem letzten Funkspruch aus dem Cockpit deaktiviert. Das lässt Piloten und Passagiere in den Fokus der Ermittler rücken. Der Flugsimulator von einem der beiden Piloten wurde beschlagnahmt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.03.2014)

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