Schlepper-Prozess: Angeklagte "kleine Rädchen"

 Beschuldigte auf der Anklagebank vor Beginn eines Prozesses wegen Schlepperei
Beschuldigte auf der Anklagebank vor Beginn eines Prozesses wegen SchleppereiAPA (Pfarrhofer)
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Die Staatsanwältin warf Beschuldigten "zahlreiche Fälle" vor. Das Verfahren ist für 14 Tage bis zum 6. Mai anberaumt.

Am Landesgericht Wiener Neustadt hat am Montag unter großem Publikums- und Medieninteresse ein Schlepper-Prozess unter anderen gegen ehemalige Asyl-Aktivisten begonnen. Acht Angeklagten, darunter vier ehemalige Servitenkloster-Flüchtlingen, wird vorgeworfen, seit dem Frühjahr 2013 bei der Schleusung von Pakistanern mitgeholfen zu haben. Das Verfahren ist für 14 Tage bis zum 6. Mai anberaumt.

Staatsanwältin Gunda Ebhart legte den Beschuldigten "zahlreiche Fälle" zur Last. Diese Gewerbsmäßigkeit stelle eine weitere Qualifikation zur Schlepperei dar, ebenso wie die Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung. Eine derart durchgeplante Tatbegehung sei nur mit einem internationalen Netzwerk möglich, in dem die Angeklagten allerdings nur kleine Rädchen seien, sagte Ebhart.

Sie erläuterte den Schleppvorgang im großen Stil, von Pakistan vermutlich über den Iran, die Türkei, Griechenland und die Balkanroute. Zwischen 6.500 und 10.000 Euro hatten die Geschleppten für ihre "Reise" zu zahlen. Ab Ungarn wurden sie im Zug nach Österreich gebracht, Übernahmeorte und Treffpunkt in Wien waren unter anderem der Westbahnhof, der Bahnhof Meidling und der Prater. Die Angeklagten sorgten gegen Bezahlung zum Teil auch für die Unterbringung in karitativen Einrichtungen sowie für Fahrgelegenheiten in andere EU-Zielländer.

Der Vortrag der Staatsanwältin wurde anfangs von lauten Zwischenrufen gestört. Richterin Petra Harbich ermahnte daraufhin das Publikum, Unmutsäußerungen zu unterlassen. In der Folge wurde lauter Beifall für die Ausführungen des ersten Verteidigers mit der Drohung auf Ausschluss der Öffentlichkeit ebenfalls untersagt.

Verteidiger am Wort

Der erste Sprecher aus der Verteidigerriege, der Wiener Rechtsanwalt Lennart Binder, erntete nach seinem Vortrag Applaus aus dem vorwiegend jugendlichen Publikum. "Wer Flüchtlingen hilft, steht mit einem Fuß im Kriminal", sagte der Verteidiger. Er bestritt jeglichen Anklagevorwurf und skizzierte in groben Zügen die Vorgeschichte zu dem Prozess.

Ende 2012 marschierte eine Asyl-Aktivisten-Gruppe vom Erstaufnahmezentrum Traiskirchen nach Wien, schlug vor der Votivkirche ihre Zelte auf - und wurde dann "ziemlich brutal" ins Servitenkloster überstellt. "Das war eine asylrechtliche Katastrophe. Die Votivkirche ist keine Zustelladresse, viele der hier Angeklagten waren dadurch tatsächlich illegal hier", so Binder. Aber für den Vorwurf der Schlepperei sah er im gesamten Akt "keine Verdachtsmomente". Er spielte auch darauf an, dass im damaligen Vorwahlkampf das Thema der Asyl-Aktivisten politisch genutzt wurde.

"Es ging um den Schutz der Österreicher vor den Flüchtlingen", erklärte Verteidiger Josef Philipp Bischof. Zusammengefasst lautete das Credo aller Verteidiger: "Hier sitzen nur die ganz kleinsten Fische. Die Anklage ist ohne Substrat. Die Angeklagten mögen bei Schleusungen geholfen haben. Aber das waren reine Freundschaftsdienste. Man bekam dafür Essen oder einen Wodka." Die Überwachung der Protestierenden sei demokratiepolitisch bedenklich, das Strafverfahren in Wiener Neustadt solle offenkundig als Rechtfertigung dienen.

Martin Traxler - er war so wie Bischof schon im Wiener Neustädter Tierschützerprozess als Verteidiger tätig - unterstellte der Polizei bei den Ermittlungen gegen die acht Angeklagten "schlampige oder bewusst falsche" Methoden.

"Das war keine Schlepperei, keine Gewerbsmäßigkeit, sondern Hilfe von Landsleuten", sagte eine Anwältin. Ihr Mandant, der im Servitenkloster lebte und mit drei Jobs fast rund um die Uhr beschäftigt war, habe damals auf Wunsch eines Freundes fünf oder sechs Mal pakistanischen Staatsbürgern aus eigener Tasche bezahltes Essen in den Park vor der Votivkirche und an die Rossauer Lände gebracht.

Das Publikum zeigte sich nach den ersten Ermahnungen diszipliniert. Statt zu applaudieren hoben die Zuhörer als positive Kundgebung die Hände.

(APA)

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