Schul-Kreuz: Wie man Christen zählt

(c) Clemens Fabry
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Im Streit um das Kreuz in der Schule liefert das Bildungsministerium eine Anleitung, wer Christ ist und wer nicht. In Wiener Hauptschulen gibt es mittlerweile mehr Muslime als Katholiken.

Wien. Wer zählt in der Schule eigentlich als Christ? Im Zuge des Streits um das Kreuz in einer Volksschule in Wien-Neubau, der sich inzwischen bald ein Jahr hinzieht, gibt es nun eine Antwort aus dem Bildungsministerium. Oder besser gesagt: eine Anleitung, um „verwaltungstechnisch einfach“ zu eruieren, wer im Sinn des Gesetzes christlich ist und wer nicht.

Wie aus einem Schreiben an den Stadtschulrat hervorgeht, das der „Presse“ vorliegt, soll das folgendermaßen ablaufen: Von der Gesamtschülerzahl werden Juden, Muslime, Buddhisten, Bahai, Hindus, Alt-Aleviten und Schüler ohne Bekenntnis abgezogen – alle anderen gelten als Schüler mit christlichem Religionsbekenntnis. Dass einfach die Nichtchristen abgezogen werden, statt die Zahl jener Schüler zu addieren, die eindeutig christlichen Glaubens sind (und so womöglich auch Schüler als Christen vereinnahmt werden), dürfte jedenfalls Raum für Kritik bieten.

Tatsächlich scheint sich auch das Ministerium in diesem Punkt nicht ganz leichtgetan zu haben. „Christlich ist ein Überbegriff, für den es keine gesetzliche Definition gibt“, heißt es vorab in dem Schreiben. Und weiter: „Über die Zuordnung einer Glaubensgemeinschaft, Kirche oder Konfession zum christlichen Kreis (...) kann aufgrund des Selbstbestimmungsrechts der Religionen nur die jeweilige Religionsgemeinschaft entscheiden.“

Nötig ist das Ganze nach dem Streit in besagter Volksschule (siehe Faktenkasten), weil das Gesetz vorsieht, dass an Pflichtschulen, „an denen die Mehrzahl der Schüler einem christlichen Religionsbekenntnis angehört“, in allen Klassenzimmern Kreuze anzubringen sind. Was zu tun ist, wenn weniger als 50 Prozent Christen sind, steht im Gesetz nicht.

Auch das Ministerium gibt keine klare Antwort, nur so viel: Auch in diesem Fall „dürften“ Kreuze angebracht werden – immerhin handle es sich laut VfGH um ein „Symbol der abendländischen Geistesgeschichte“, dessen Bedeutung über das rein Religiöse hinausreiche. „Die Schule kann diese Entscheidung im eigenen Bereich treffen.“ So wurde das im Prinzip auch jetzt schon gehandhabt – Kritiker waren aber der Meinung, dass das rechtswidrig sei.

Mehr Muslime als Katholiken

Die Frage, ob ein Kreuz aufgehängt wird oder nicht, dürfte sich in Zukunft jedenfalls öfter stellen. Das zeigen aktuelle Zahlen aus Wien, die der „Presse“ vorliegen. Mittlerweile besuchen nämlich insgesamt mehr Muslime als Katholiken die Haupt- und Neuen Mittelschulen. Konkret sind es 10.734 Kinder und Jugendliche mit islamischem Religionsbekenntnis und 8632 Schüler mit römisch-katholischem (siehe Grafik). An dritter Stelle liegen die 4259 serbisch-orthodoxen Schüler. Viertgrößte Gruppe sind an den Hauptschulen und Neuen Mittelschulen laut Statistik die Schüler „ohne religiöses Bekenntnis“.

An den Wiener Gymnasien ist das Bild in der gleichen Altersgruppe ein ganz anderes: Hier sind die Katholiken die mit Abstand größte Gruppe. 18.345 Gymnasiasten bis zur neunten Schulstufe sind römisch-katholisch. Die zweitgrößte Gruppe sind die konfessionslosen. 10.340 Gymnasiasten haben kein religiöses Bekenntnis. Der Anteil der muslimischen Kinder und Jugendlichen ist in der AHS relativ gering. Sie stellen mit 5395 Schülern die drittgrößte Gruppe. Das ist insofern wenig verwunderlich, da weniger Schüler mit Migrationshintergrund in die AHS gehen. Insgesamt besuchen die Sekundarstufe eins in Wien also 26.977 katholische Schüler, 16.129 muslimische und 13.558 Schüler ohne Bekenntnis.

In den Wiener Volksschulen ist der Anteil der muslimischen Schüler deutlich höher: 23.807 sind Katholiken, 17.913 Muslime, 11.119 sind ohne religiöses Bekenntnis. Serbisch-orthodox sind 6083 Wiener Volksschüler, 2322 Schüler evangelisch. Aus dem Stadtschulrat heißt es dazu: „Die Zahlen spiegeln die demografische Situation der Stadt wider.“

AUF EINEN BLICK

Der Streit ums Kreuz nahm in einer Volksschule in Wien-Neubau seinen Ausgang. Eine konfessionslose Mutter wollte – unterstützt von „Religion ist Privatsache“ – erreichen, dass die Kreuze abgenommen werden. In einem Teil der Klassen passierte das. Im Dezember entflammte der Streit erneut. Die Mutter verlangte via Anwalt Auskunft über die Anzahl christlicher Schüler.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.03.2014)

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