Replik

Es ist eine bessere Verwaltung möglich

Nein, wir reden nicht den Untergang der Republik herbei. Wir benennen nur die Schwachstellen der Bundesverwaltung.

Der Kommentar von Gottfried Schellmann („Den Untergang der Republik herbeireden“, „Die Presse“, 6. 9. 2023) suggeriert, dass die „Initiative Bessere Verwaltung“ die Korruptionsbekämpfung in den Mittelpunkt stellt und aus Sektionschefs in Pension besteht. Dies ist eine bemerkenswerte Verkürzung. Die Initiative Bessere Verwaltung ist aus 15 Personen zusammengesetzt, darunter fünf Wissenschaftlerinnen und drei aktive öffentliche Bedienstete. Sie ist interdisziplinär und parteiunabhängig aufgestellt. Die Initiative hat ein Papier mit sieben Kapiteln (Organisation der Bundesministerien, Strategische Aus­richtung und Steuerung der Bundesverwaltung, Krisenmanagement und Krisenprävention, Transparenz und Antikorruption, Informationstechnologien, Kooperation und Partizipation, Europäisierung) erarbeitet, und jedes Kapitel beinhaltet eine Beschreibung des Status quo, eine Definition von Zielen sowie Vorschläge für konkrete Maßnahmen (insgesamt 50, nachzulesen unter https://bessereverwaltung.at).

Wir reden nicht den Untergang der Republik herbei. Unser Befund lautet aber: Österreich hat im internationalen Vergleich übergroße Ministerkabinette. Die Leitungsfunktionen werden nach parteipolitischen Kalkülen besetzt. Und es gibt eine strategische Untersteuerung und operative Übersteuerung der Verwaltung. Die Bundesverwaltung wird dadurch geschwächt, Österreichs Ressourcen und Potenziale nicht ausreichend genutzt. Dies lässt sich an verschiedenen Indikatoren ablesen. Die Bundesverwaltung erzielt international verglichen bei hohen Kosten lediglich durchschnittliche Ergebnisse.

Die Politik steht unter dem Druck, mit hoher Geschwindigkeit, möglichst tagesaktuell, auf Nachrichten, Ereignisse und verschiedene Krisen zu reagieren. Sie ist zumeist nicht in der Lage, aus sich heraus langfristige, von großer Expertise getragene inhaltliche politische Strategien zu entwickeln.

Nicht nur in Unternehmen und NPOs, sondern auch in öffentlichen Organisationen sind der Erwerb, die Verknüpfung und die Sicherung von Wissensbeständen zur entscheidenden Ressource geworden. Dies erfordert den Aufbau von Netzwerken und Kooperationssystemen. Gutes Regieren bedeutet, dass die Regierung an die Verwaltung klare Aufträge zur Zukunftssicherung gibt. Die Verwaltung ist befähigt, diese unter Einbeziehung von verschiedensten Wissensträgern und Stakeholdern zu konzeptualisieren und der Politik zur Entscheidung vorzulegen.

Wissensarbeit in Ministerien

Die Arbeit in den Ministerien (und nicht nur dort) ist Wissensarbeit. Wissensarbeiter benötigen klare Rahmenbedingungen, definierte Freiräume, Vertrauen, Fairness und lebendige Austauschprozesse. Diese Voraussetzungen sind derzeit nur sehr unzulänglich gegeben. Unsere Vorschläge zielen darauf ab, eine auch in diesem Sinn bessere Verwaltung möglich zu machen. Dies erfordert eine Abschwächung parteipolitisch motivierter Engführung und klare Entscheidungsstrukturen.

Wir als Initiative stehen im Austausch mit rund 140 Interessentinnen und Interessenten und verschiedenen Entscheidungsträgern, haben ein Beteiligungstool zu unseren Vorschlägen und für darüber hinausgehende Überlegungen eingerichtet (E-Comitee, siehe unsere Website) und freuen uns über eine rege Diskussion, insbesondere dann, wenn sie verzerrende Vereinfachungen vermeidet und zu neuen Erkenntnissen und Vorschlägen führt.

A.o. Univ.-Prof. Dr. Mag. Wolfgang Gratz, Jurist, Soziologe, habilitierter Kriminologe, tätig als Organisationsberater, zuvor u. a. Studiengangsleiter Public Management FH Campus Wien, Mitglied der Initiative Bessere Verwaltung, www.wolfgang.gratz.at

E-Mails: debatte@diepresse.com

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