Wer gilt als Christ? Initiative kritisiert "Zähltricks"

(c) Michaela Bruckberger
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Laut Juristen sind Schulkreuze auch bei weniger als 50 Prozent Christen ok. Die vom Ministerium vorgeschlagene Zählweise stößt auf Kritik.

Dass auch Schulen mit weniger als 50 Prozent an christlichen Schülern Kreuze anbringen dürfen, wie das Bildungsministerium nun in einem Schreiben an den Wiener Stadtschulrat klargestellt hat, stößt bei manchen auf Kritik. So ist etwa die Initiative „Religion ist Privatsache“ der Ansicht, dies öffne Tür und Tor dafür, dass Schulleiter nach persönlichen Vorlieben agieren. Verfassungsjuristen halten die Interpretation des Ministeriums in diesem Punkt allerdings für ok.

„Ich sehe keinen Grund, warum die Schule das nicht in Autonomie beschließen soll“, sagt der Wiener Jus-Dekan Heinz Mayer im Gespräch mit der „Presse“. „Wenn alle einverstanden sind, sehe ich hier kein Problem.“ Schulen könnten ja auch gestatten, andere (religiöse) Symbole aufzuhängen. Sein Kollege Bernd-Christian Funk sieht das ähnlich, auch wenn er die Argumentation des Ministeriums im Detail für „fragwürdig“ hält. „Pragmatisch gesehen ist das, was das Ministerium hier vertritt, zu akzeptieren.“ Einem rechtlichen Vorgehen dagegen räumt Funk „beim derzeitigen Stand der höchstgerichtlichen Beurteilung“ keine Chancen ein.

In dem Schreiben hieß es, Schulen sollten selbst entscheiden, wie sie in punkto Kreuz bei weniger als der Hälfte christlicher Schüler vorgehen. Explizit im Gesetz geregelt ist nur der umgekehrte Fall: Wenn die Mehrzahl der Schüler christlichen Religionsbekenntnisses ist, müssen in den Pflichtschulen Kreuze angebracht werden. Kritiker hatten sich stets auf das Legalitätsprinzip berufen: Was nicht explizit im Gesetz geregelt sei, dürfe eine staatliche Stelle nicht. Dazu Mayer: „Die Argumentation der Kritiker trifft hier eher nicht zu.“ 

Kritik an "Zähltricks" des Ministeriums

Die ministerielle Anleitung, wie die Anzahl der christlichen Schüler ermittelt werden soll, halten die Juristen aber für „merkwürdig“. Statt die Zahl der Schüler zu addieren, die christlich sind, sollen Juden, Muslime, Buddhisten, Bahai, Hindus, Alt-Aleviten und Schüler ohne Bekenntnis abgezogen werden – die übrigen gelten als Christen. „Es stellt sich die Frage, ob die Methode zum richtigen Ergebnis führt“, sagt Mayer. „Ob also alle, die übrig bleiben, Christen sind.“

Die Initiative „Religion ist Privatsache“ findet erwartungsgemäß schärfere Worte. Das Ministerium veranschauliche mit seiner Stellungnahme „ein skandalöses Bestreben, kirchliche Interessen zu vertreten“, heißt es gegenüber der „Presse“. „Um dieses Ziel zu verwirklichen scheut das Ministerium kein Mittel: über Zähltricks lässt es die Anzahl der Christen noch oben verfälschen.“ Bezeichnend sowohl für die gesetzliche Bestimmung als auch für die Empfehlung des Ministeriums sei ein weiterer Umstand: weder den Eltern noch den Kindern werde ein Mitspracherecht gewährt.

(beba)

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