Die ersten 100 harten Tage Zweisamkeit

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Die Vergangenheitsbewältigung der Regierung Faymann II: Bemüht, aber ohne große Erfolge. Kanzler und Vizekanzler, Seite an Seite ihre Vorhaben präsentierend, durch nichts und niemanden zu trennen.

Dem Anfang wohnte zwar kein Zauber inne, aber immerhin der Wunsch nach einem neuen Stil. Eine Doppelconférence, um den Verhandlungsabschluss zu verkünden, eine am Tag danach, um das Ergebnis vorzustellen, am selben Abend noch ein gemeinsamer Auftritt in der „ZiB“, am darauffolgenden Sonntag einer in der ORF-„Pressestunde“.

So sollte es fortan sein im Kabinett Faymann II: Kanzler und Vizekanzler, Seite an Seite ihre Vorhaben präsentierend, durch nichts und niemanden zu trennen. Auch wenn ihre Auftritte nach dem Ministerrat geringer wurden, an anderen Schauplätzen – von TV-Studios (Puls4-Bürgerdiskussion) bis zur Hofburg (Auftakt zur Österreich-Tour) – nahmen sie zu.

Die großkoalitionäre Regierung der nationalen Einheit möchte, was auch dem Harmoniebedürfnis der maßgeblichen Protagonisten Werner Faymann und Michael Spindelegger entspricht, Streit vermeiden. Zumindest in der Öffentlichkeit. Im Hinterzimmer findet er aber statt. Wie im Fall Hypo, als Spindelegger und Faymann aneinander gerieten, weil der ÖVP-Chef die Möglichkeit einer Insolvenz nicht mehr ausschließen wollte. Am Ende herrschte dann doch wieder demonstrative Einheit – wie es die informelle Doktrin der Regierung Faymann II vorschreibt.

Überhaupt, die Hypo: Wie ein Schatten lag sie über den ersten hundert Tagen dieser Regierung. Alles andere verkam zur Nebensache. Das mit der Hypo in direktem Zusammenhang stehende Budget einmal ausgenommen. Ein Nulldefizit will die Regierung 2016 erreichen. Ein strukturelles wohlgemerkt, wofür rund 18 Milliarden Euro eingespart werden müssen. Das Maastricht-Defizit hingegen steigt allein heuer wegen der Hypo schon um 1,2 Prozentpunkte. Im besten Fall soll deren Abwicklung mit vier Mrd. zu Buche schlagen, im schlechtesten mit 17,8 Mrd.

Der rot-schwarze Faden dieser Hundert-Tage-Regierung: die Vergangenheitsbewältigung. Im Schlechten – von der Hypo bis zum BIFIE-Leck. Wie im Guten – vom Burgtheater bis zum endgültigen Beschluss des neuen Lehrerdienstrechts (mit flacherer Einkommenskurve und höherer Lehrverpflichtung). Wobei hier – Hypo, Budget, BIFIE – auch die Vergangenheit der Versäumnisse des Kabinetts Faymann I zu bewältigen war und ist.

Kosovo, Sekt und Karmasin

Was sonst noch geschah? Eine Gehaltserhöhung für Beamte. Zusätzliche UN-Soldaten für den Kosovo und Bosnien. Die Senkung der Hürde bei den Vorzugsstimmen von sieben auf fünf Prozent der Parteistimmen, um nach vorn zu rücken. Die Erhöhung der Familienbeihilfe. Und ein Steuerpaket gab es auch noch – mit besonderem Fokus auf Raucher, Autofahrer und Sekttrinker. Einige Vorhaben sind auf Schiene: die Schließung von über 100 Polizeidienststellen. Der Handwerkerbonus. Die Gratiszahnspange. Das 500-Millionen-Euro-Maßnahmenpaket zur Wiedereingliederung älterer Arbeitsloser. Und der Justizminister hat einen Weisenrat zum Weisungsrecht eingesetzt.

Die neuen Minister (siehe Porträts rechts) waren wohl das Schillerndste an dieser am 16.Dezember 2013 angelobten Regierung – von Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter bis zu Familienministerin Sophie Karmasin. Die anfängliche Aufregung, das eigenständige Wissenschaftsministerium aufzugeben, ist übrigens wieder verpufft.

Die Hoffnung, dass auch der Hypo-Volkszorn alsbald verpuffen könnte, ist aber unbegründet. Und: Wiewohl eigentlich ein blauer Skandal, steigt die FPÖ in den Umfragen, die Regierungsparteien fallen.

Es waren harte erste hundert Tage. Mit einer bemühten, aber (noch) nicht wirklich von Erfolg gekrönten Performance.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.03.2014)

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