"Nymphomaniac Vol. 2": Aus dem Leben der (sexbesessenen) Marionetten

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Der zweite Teil von Lars von Triers "Nymphomaniac" startet am 4. April – vorläufig nur in der gekürzten Kinoversion. Die Kampagne verheißt Pornografie, der Film bietet eher intellektuelle (Selbst-)Parodie.

Sinn für Humor hat Lars von Trier jedenfalls: Die offizielle Kinofassung von „Nymphomaniac“ sei von den Produzenten zwar mit seiner Einwilligung, aber „ohne seine Beteiligung“ erstellt worden. Der Autorenfilmer von Trier macht das Leugnen seiner offensichtlichen Autorenschaft zum Teil seiner postmodernen Ästhetik – wie in der absichtlich verwackelten Komödie „The Boss of it All“, bei der er Kameraführung und Schnitt einem neu entwickelten Zufallsgenerator-Computersystem namens Automavision überließ.

Bei „Nymphomaniac“ besteht kein Zweifel, dass es sich ausschließlich um eine Von-Trier-Vision handelt. Aber während „Vol. 2“ anläuft, lässt sich über seinen „wahren“ Director's Cut noch immer nur spekulieren: Laut Produzenten wurde die Kinoversion nur „um die explizitesten Nahaufnahmen der Genitalien“ (von Doubles, auf deren Körper die Schauspielerköpfe digitalisiert wurden) gekürzt. Die beiden Teile dauern vorläufig je zwei Stunden, die ungekürzte Fassung angeblich fünfeinhalb. („Vol. 1“ lief in der Langfassung auf der Berlinale – und war eine halbe Stunde länger, die nicht nur aus Genitalnahaufnahmen bestand; „Vol. 2“ wird wohl so in Cannes zu sehen sein.)

Kurz: Das Kampagnenkonzept von „Nymphomaniac“ läuft brillant. Von Trier & Co. spielen ein offenes Spiel mit Sex sells, von der Titelschreibung „Nymph()maniac“ bis zum Aufrechterhalten der Neugier über die Kinoverwertung hinaus. Der Film selbst ist auch ein Spiel: Teil zwei macht nahtlos weiter mit dem Dialog zwischen der sexbesessenen Joe (Charlotte Gainsbourg) und Möchtegern-Retter Seligman (Stellan Skarsgård). Sie erzählt neue Eskapaden ihrer Lebensgeschichte: Wenn sie sich im Lokal Löffel in die Vagina (eine irritierende Minute für Kellner Udo Kier) oder einen absurden Dreier mit zwei Schwarzen schiebt, ist der Witz kaum zu übersehen: pure Porno-Stereotype. Dann tröstet sie Seligman mit kunstbeflissenen Assoziationen, sein Intellekt muss dabei am Instinktiven ihres destruktiven Triebs scheitern – zur ironisch-philosophischen Brechung des Porno-Konzepts kommt also wissende Selbstparodie.

Von Trier lädt zur Reflexion seiner Mittel, seine Figuren benutzt er wie ein Schachspieler. Aus dem Leben der Marionetten: Die Märtyrerinnen des Regisseurs leiden an konzeptuellem Weltschmerz, Joes Nymphomanie ist wie Kirsten Dunsts „Melancholia“ bloß Programm. Die konstruierte Depression wird nur einmal tatsächlich provokativ: Als Joe in der Einsamkeit eines Pädophilen ihr Spiegelbild erkennt. Es bleibt ein flüchtiger Moment in einer virtuosen Spielerei, die alle möglichen Querverweise und Bilderbögen einbaut – aber wo alles möglich ist, ist auch alles egal. Egal, ob anarchistisch oder reaktionär, von Trier bedient sich kreuz und quer, bis zum Extra-Ätsch der Schlusspointe, an der ihm eines doch ernst sein dürfte: Immerhin begreift man, warum die Hauptfigur Joe heißt – damit „Hey Joe“ als Abspannlied perfekt passt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.03.2014)

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