Korinth: Die Hochburg der Rechtsextremen

GREECE REFUGEES
GREECE REFUGEES(c) EPA (SIMELA PANTZARTZI)
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Im griechischen Korinth kommen Asylwerber an. Zugleich ist die Stadt eine Machtbasis der Goldenen Morgenröte. Eine brandgefährliche Mischung.

Große Hunde streunen bellend auf dem Militärareal vor den vier weißen Gebäuden. Die Tiere genießen eine Freiheit, die den Menschen hinter den Mauern verwehrt bleibt. Zwei Stunden Ausgang vormittags, zwei nachmittags: Den Rest der Zeit sind die 1300 Asylwerber in der zum Auffanglager umfunktionierten Kaserne im griechischen Korinth eingesperrt. Unter menschenunwürdigen Bedingungen, wie hier niemand bestreitet.

Seemacht und antike Metropole, an die auch Paulus seine Briefe schrieb: Korinth atmet große Geschichte und steht zugleich wie kaum eine zweite Stadt für die griechische Tragödie der Gegenwart. Flüchtlingsproblematik und Wirtschaftskollaps vermengen sich, alle leiden darunter, zuallererst die Asylwerber aus Afghanistan, Pakistan oder Syrien aber auch die Einheimischen. Im Sog der Krise steigen rechte Extremisten auf. Korinth mit seinen rund 57.000 Einwohnern ist eine Hochburg der Goldenen Morgenröte. 11,4 Prozent erreichte die rechtsextreme Partei hier bei der Wahl im Juni 2012. Landesweit waren es 6,9 Prozent.

Eine Zeitlang gab es täglich Aufmärsche der Glatzköpfe mit den schwarzen T-Shirts und dem Hakenkreuz-ähnlichen Parteisymbol. Vor dem Auffanglager lieferten sie sich Kämpfe mit der Polizei. „Und sie machten Jagd auf Migranten“, wie man sich hier erzählt. Einige sollen sie ins Meer geworfen haben. Doch seit die Polizei die Parteispitze festnahm, herrscht eine trügerische Ruhe. „Sie werden bei den Kommunalwahlen am 18. Mai wieder stark abschneiden“, befürchtet Bürgermeister Alexandros Pnevmatikos. „Dabei hatten wir hier keine fremdenfeindlichen Symptome.“ Doch dann kam die Krise. „Und der Rassismus wird seither immer größer.“

"Ängstliche Menschen". Pnevmatikos stellte sich als einer der ersten im Land gegen die Rechten. „Ängstliche kleine Menschen“, nannte er sie. Die Reaktion blieb nicht aus. Der Bürgermeister fährt sich mit dem Zeigefinger von rechts nach links über den Hals: Morddrohungen. Und als Pnevmatikos im Sommer 2012 zu einem Waldbrand nahe Korinth eilte, kamen 30 uniformierte Männer der Goldenen Morgenröte. „Sie haben mich geschlagen“, sagt der Stadtchef.

Dabei wollte auch er die Asylwerber hier nicht haben. Als die Regierung Korinth 2012 mit dem Auffanglager „überrumpelte“, schmiss Pnevmatikos sein Parteibuch der sozialistischen PASOK hin. „Und ich drehte dem Lager für einen Tag Strom und Wasser ab.“

Die Misere ist aus seiner Sicht auch mit dem Namen einer europäischen Hauptstadt verbunden, den hier selbst die weniger Gebildeten kennen: In der Dublin-III-Verordnung ist festgeschrieben, dass für das Asylverfahren das erste auf der Flucht betretene EU-Land zuständig ist. Die Peripherie Europas muss also den größten Teil der Migrationswellen schultern. Die EU putzt sich ab. So sieht man das hier. Und weil Korinth einen Hafen hat, ist es sehr direkt betroffen: Ein Teil der Asylwerber aus dem östlichem Mittelmeer kommt hier nicht nur an, von hier aus wollen sie auch weiter – über den Schiffsweg nach Italien. Griechenland mit seiner Arbeitslosigkeit von 28 Prozent ist für die allermeisten Asylwerber kein Zielland.

Es brauche eine „fairere Lösung“, erklärt dazu Innenminister Ioannis Michelakis. „Doch erst als die Ukraine-Krise ausbrach, zeigte sich auf einmal auch Nordeuropa über Einwanderungsströme besorgt“, kritisiert Michelakis. Das alles entschuldigt aber nicht die katastrophalen Zustände in Griechenlands Auffanglagern. Aus Protest nähten sich Asylwerber in Korinth den Mund zu – Hungerstreik. Im besten Fall leiden sie hier, im schlimmsten Fall sterben sie. Überliefert ist das Schicksal eines Afghanen, der viel zu spät medizinisch versorgt wurde. „Ja, es gibt Opfer“, sagt Pnevmatikos. Das örtliche Spital sei überfordert. „Es wird mit Krankheiten konfrontiert, die es in Korinth seit Jahrzehnten nicht mehr gegeben hat.“ Und zwar? „Cholera, schwere Krankheiten.“

Diese Geschichte hier kennt viele Grautöne. Illegale Migranten haben seine Frau angegriffen, erklärt ein Beamter. „Ich habe keine Anzeige erstattet. Denn sie tun mir so leid. Sie wollten ein besseres Leben und jetzt sind sie hier eingesperrt.“ Das Auffanglager bereite ihm aber große Sorgen. Wegen der Krankheiten. Und der Beamte ist sich sicher, dass die Goldene Morgenröte mit den Essensausgaben an Bedürftige punktet. „Wenn dir jemand hilft, ist es dir egal, ob er links oder rechts ist.“

Das Gratis-Essen gibt es nur für Griechen. „Wir verstehen das Problem der illegalen Migranten. Aber die Regierung will sie hier haben. Dann soll sie sich auch um sie kümmern“, sagt Tas Papaioannou. Der kleine, bullige Taxifahrer mit Glatze und Jogginghose ist Mitglied der Goldenen Morgenröte. Seine Partei droht als kriminelle Vereinigung verboten zu werden. Mitglieder sollen auch hinter dem Mord an dem linken Rapper Fyssas in Athen stehen. Stimmt nicht, sagt Papaioannou. Und die Jagd auf Migranten? „Das meiste sind Provokationen. Einiges ist wirklich passiert. Mit unseren Säuberungen machten wir die Drecksarbeit für die Polizei, weil die nicht die schlechte Publicity wollten. Wir hatten von ihr grünes Licht.“ Die meisten Polizisten seien Anhänger der Goldenen Morgenröte, behauptet Papaioannou. Dasselbe gelte für seine Zunft, denn der rechte Diktator Papadopoulos habe einst Gratislizenzen an die Taxifahrer vergeben.

Papaioannou hatte selbst Probleme mit den Behörden: Er verpasste Bürgermeister Pnevmatikos einen Faustschlag, wie er einräumt. Und er saß 24 Stunden im Gefängnis, weil sie bei ihm einen Schlagring fanden. Wofür er die Waffe braucht? „Ich habe einen Job und bin daher jede Minute in Gefahr auch durch die illegal Migranten, die natürlich Hunger haben.“ Was die Goldene Morgenröte so gefährlich erfolgreich macht, ist die Vermischung ihrer rechtsextremen Visionen mit der populären Kritik an Korruption und „EU-Diktat“: „Die Griechen-feindlichen Politiker in Athen verkaufen die Zukunft unserer Kinder“, schimpft Papaioannou. Alle seien korrupt, Politiker, Medien. Und dann legt er los: „Ich erkenne den Staat Israel nicht an.“ Der Mossad und die CIA seien in Griechenland am Werk. Er selbst sei Nationalist, aber kein Neonazi – wegen der Nazi-Gräueltaten in Griechenland während des Zweiten Weltkriegs. „Mein Kampf“ enthalte aber auch faszinierende Gedanken.

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Im Zentrum Korinths blicken die Statuen von Alexander dem Großen und Philosoph Diogenes auf das Meer, das die Asylwerber bringt. Einst wollte Alexander dem Philosophen hier jeden Wunsch erfüllen. „Geh mir ein wenig aus der Sonne“, antwortete Diogenes. Man fragt sich, ob der Philosoph heute eine Sonne über Korinth erblicken würde. Oder doch nur eine Morgenröte.Rechter Aufstieg.
Die Partei Goldene Morgenröte kam bei den Parlamentswahlen im Juni 2012 auf 6,9 Prozent.

Verbot möglich.
Die Goldene Morgenröte könnte als kriminelle Vereinigung eingestuft werden. Die Parteispitze sitzt seit Herbst 2013 in U-Haft. Im Fall eines Verbots wollen die Rechten unter anderem Namen kandidieren.

Flüchtlingswelle.
12.000 Migranten wurden 2013 an der Grenze zwischen der Türkei und Griechenland entdeckt. Das teilte die Grenzschutzagentur Frontex der „Presse am Sonntag“ mit. Mehr als 90 Prozent kamen über den Seeweg aus dem östlichen Mittelmeerraum. Frontex unterstützt den griechischen Grenzschutz zur See mit zehn bis 20 Mitarbeitern pro Monat.

Auffanglager. Im April 2012 eröffnete das erste griechische Auffanglager in Amyfaleza nahe der Hauptstadt Athen. Weitere folgten, darunter jenes in Korinth.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.03.2014)

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