Planespotter: Die Jagd nach der perfekten Propellerscheibe

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Männer, die auf Landepisten starren: Planespotter sind besessen davon, Flugzeuge zu fotografieren. Von einem obskuren Hobby, dessen dokumentarische Bedeutung der Öffentlichkeit erst im Ernstfall auffällt.

Streng genommen führt Anton Wildberger nur eine Familientradition fort. Schon sein Vater hatte es mit dem fotografischen Festhalten von Verkehrsmitteln – noch immer, mit 84 Jahren, fotografiert er leidenschaftlich Eisenbahnen, ist ein Trainspotter. Aber als ob es nicht schon anspruchsvoll genug wäre, Eisenbahnen auf Standbildern gut aussehen zu lassen, ist das Hobby, dem sich Anton Wildberger widmet, noch um einiges schwieriger: Der 53-Jährige nimmt Flugzeuge ins Visier – er zählt zum elitären Zirkel der Planespotter.

„Das ist fototechnisch noch schwieriger“, sagt Wildberger, während er sein Teleobjektiv vom Dach des Skylink-Terminals aus auf die Landebahn ausrichtet – Flugzeuge seien nicht leicht zu erfassen, sie ändern ihre Position schließlich in drei Dimensionen, wenn sie aufsteigen – und noch dazu hätten viele von ihnen besonders kompliziert abzubildende bewegliche Teile. Als Meisterklasse unter den Planespottern gelte es, den Propeller einer Maschine als durchgehende Scheibe zu erfassen, also quasi in Bewegung. „Das schaut sonst aus, als würde der Flieger gleich herunterfallen.“ Wirklich schön wird die Propellerscheibe aber nur, wenn man der Kamera Zeit lässt, die Bewegung einzufangen – ideal sei eine Belichtungszeit von 1/160 Sekunde, sagt Wildberger. Und das wiederum sei schwierig, weil man die Kamera so lange stillhalten muss, wofür es bei Wind eine besonders ruhige Hand brauche. Und windig ist es fast immer – dort, wo die Spotter auftauchen.

Immer, wenn das Wetter am Wochenende schön wird, treffen auf den Wiesen und Feldwegen rund um den Flughafen Schwechat einige Dutzend Menschen ein. Junge und Alte sind da dabei, Profifotografen ebenso wie Amateurknipser. Nur eine Gemeinsamkeit fällt auf an den besten Fotospots – der Flughafen Schwechat hat eigens einen Hügel für die Community angelegt und Löcher in den Zaun geschnitten, durch die man Objektive stecken kann: Überwiegend sind die Spotter männlich.

„Den typischen Spotter gibt es nicht“, erklärt Gerald Aigner, Redakteur bei Austrian Wings, dem Zentralorgan der heimischen Luftfahrt-Aficionados (www.austrianwings.info). So unterschiedlich die Spotter sind, so unterschiedlich sind auch ihre Vorlieben: Manche fotografieren einfach jedes Flugzeug, das ihnen vor die Linse kommt, andere bereiten sich Tage im Voraus durch intensives Studium der Flugpläne vor.

Und auch hinsichtlich der Verwendung ihrer Bilder könnten die Spotter kaum vielfältiger sein: Während sich manche nur an ihren eigenen Darstellungen von Flugzeugen ergötzen, genießen andere wieder, sich mit Gleichgesinnten auszutauschen – ob das jetzt auf Tauschbörsen passiert, die alle paar Monate auf internationalen Flughäfen stattfinden oder auf spezialisierten Internetplattformen wie der Bilddatenbank airliners.net.

Andere sehen es als ihre Berufung, atypische Flugbewegungen zu verfolgen. In Spotterkreisen erzählt man gern die Geschichte, dass die CIA-Flüge, mit denen Guantánamo-Häftlinge in alliierte Länder gebracht wurden, vor allem deswegen aufgeflogen sind, weil aufmerksame Spotter unangemeldete Flugbewegungen penibel aufgezeichnet hätten.


Die einzigen aktuellen Bilder.
Genau solche kompletten Aufzeichnungen lenken die öffentliche Aufmerksamkeit immer dann auf die Spotter, wenn einmal ein Flugzeugunglück passiert. „Wenn eine kleine Sportmaschine abstürzt, rufen Medien mich an, ob ich vielleicht ein aktuelles Foto habe“, sagt Wildberger, der auf www.wildbergair.com sein eigenes Fotoportal betreibt.

Häufig seien Planespotter nämlich die Einzigen, die aktuelle Bilder bestimmter Flugzeuge bereit hätten – das nütze einerseits bei der Analyse von Unglücksursachen, andererseits auch, um vermitteln zu können, nach welchen Farben Suchmannschaften eigentlich Ausschau halten sollen.

Aktuell lässt sich das derzeit im Fall der „verschwundenen“ Boeing 777 der Malaysia Airlines verfolgen, nach der im pazifischen Ozean gesucht wird. Das Foto, das praktisch alle Nachrichtenwebseiten weltweit verwenden – auf dem die Maschine mit der Kennung 9M-MRO in der Abendsonne wenige Meter über der Landebahn auf dem Istanbuler Atatürk-Flughafen eingefangen wurde – stammt von einem Spotter: Erkan Karakas hat es auf airliners.net hochgeladen und gleichzeitig über Wiki Commons der Welt zur Verfügung gestellt.

Dieser Dokumentationscharakter stehe für viele Spotter im Vordergrund ihres Hobbys, sagt Wildberger. Am Anfang sei für die meisten natürlich die Faszination an der Technik gestanden, aber er selbst denke auch daran, dass mit den Fotos, die er und andere Spotter machen, die Luftfahrtgeschichte nachverfolgt werden könne.

Wildberger selbst ist durch das Fliegen zum Spotten gekommen: Mit 21 hat der Techniker – nein, im Berufsleben habe er gar nichts mit Flugzeugen zu tun – den Segelfliegerschein gemacht, noch einmal ein Jahrzehnt später auch den normalen Sportpilotenschein. Das komme ihm heute zugute, erzählt Wildberger: bei seiner Mission nämlich, alle Flugplätze Österreichs aus der Luft zu fotografieren.

Und damit nicht genug: Er hat es sich zum Ziel gesetzt, sämtliche in Österreich registrierten Flugzeuge (alle mit Oscar-Echo/OE gekennzeichneten) – vom kleinen Sportflieger bis zur Linienmaschine – zu fotografieren. Über gute Kontakte zur Luftfahrtszene und Piloten – sein ältester Sohn fliegt selbst für die Lufthansa-Tochter Germanwings – hat Wildberger eine ständig aktualisierte Liste seiner Zielobjekte aufgesetzt. „Ja, es ist eine Sisyphusarbeit“, seufzt der 53-Jährige – mehrere Stunden wendet er jede Woche für das Spotting auf: viele Wochenenden auf diversen Flughäfen und dann die Abende, die er damit verbringt, bis zu 5000 Fotos zu sortieren und hochzuladen. „Aber“, sagt Wildberger „ich bin kein typischer Spotter“.

Das sagt allerdings praktisch jeder Planespotter, mit dem man über dieses Hobby spricht, über sich: der Flughafenmitarbeiter, der in den Pausen seine Kamera auspackt, genauso wie der Familienvater, der mindestens genauso beeindruckt wie seine Söhne am Zaun steht, wenn eine Boeing nur wenige Dutzend Meter entfernt über die Piste donnert.

Für den Flughafen ist die Anwesenheit der Spotter jedenfalls kein Problem: Man habe ein gutes Einvernehmen mit der heimischen Spotterszene, sagt ein Sprecher. Bei der Anlage des Hügels nahe dem Punkt, wo sich die beiden Landebahnen in Schwechat kreuzen, habe man – über den Verein der Flughafenfreunde, in dem viele Spotter organisiert sind – sehr genau auf die Wünsche der Community Rücksicht genommen.

„Spotter sind überhaupt kein Sicherheitsrisiko“, sagt auch Gerald Aigner von Austrian Wings – im Gegenteil. Dadurch, dass die Szene an jedem Flughafen vergleichsweise überschaubar sei, könnten Spotter verdächtige Personen am Zaun ausmachen und diese eventuell der Flughafensicherheit melden.

Spannende Spots

Highlights für Spotter sind Flieger, die nur sporadisch zu sehen sind. Hier einige Höhepunkte in Wien:

2006 landet die Air Force One beim Besuch George W. Bushs in Schwechat.

2010 kommt erstmals ein Airbus A380, das größte Verkehrsflugzeug der Welt, an.

2010 landet zum letzten Mal eine Boeing 747SP der Iran Air in Wien – von dieser verkürzten Version der 747 wurden nur 45 Stück gebaut.

11.März 2014: Eine „nackte“ Boeing 777 landet. Die Maschine, die die AUA von der Vietnam Airlines übernimmt, ist noch nicht lackiert und nur metallfarben.

Planespotting

Spotter (vom englischen „to spot“, erblicken) sind Menschen, die sich dem Fotografieren bestimmter Dinge verschrieben haben – Trainspotter nehmen Züge in den Fokus, Planespotter eben Flugzeuge.

Rund um Österreichs Flughäfen gibt es eine – nur teilweise organisierte – Community von mehreren hundert Planespottern, die in ihrer Freizeit Flugzeuge fotografieren. Das kann dann nützlich sein, wenn zum Beispiel eines dieser Flugzeuge vermisst wird und nach der aktuellen Lackierung gesucht wird, um Suchmannschaften über eine bestimmte Farbe informieren zu können, nach der sie Ausschau halten sollten.

Weitere Informationen über Spotter: www.austrianwings.info
www.airliners.net
www.wildbergair.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.03.2014)

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