Verändern Mölzers Verbleib und Martins Abgang die Ausgangslage? Jein. Die FPÖ hatte schon bisher ein Problem. Und HPM-Wähler sind bereits abgewandert.
Wien. Einige Wendungen hat dieser EU-Wahlkampf schon genommen. Anfangs, als der aus Funk und Fernsehen bekannte Eugen Freund zum Spitzenkandidaten der SPÖ nominiert wurde, sah es nach einem Durchmarsch der SPÖ aus. Doch dieser kam alsbald zum Erliegen. Wegen Freunds ungeschickter Antworten in Interviews, gefolgt von dessen zeitweiligem Untertauchen.
Dann sah es nach einem Siegeszug der FPÖ aus. Und der am Montag bekannt gewordene Nichtantritt Hans-Peter Martins hätte ihr weiteren Auftrieb geben können. Hätte – wäre nicht der Wirbel um Andreas Mölzer gewesen.
Allerdings: Die Meinungsforscher orteten schon zuvor ein Problem für die FPÖ. „Die FPÖ schöpft ihr Potenzial nicht aus“, sagt der Demoskop Peter Hajek. Die Freiheitlichen hätten ein Mobilisierungsproblem. Auf Nationalratswahlebene würden sie nämlich derzeit auf Platz eins liegen, bei der EU-Wahl hingegen nicht. „Und die Mölzer-Aussagen unterstützen eine Mobilisierung nicht. Das richtet sich vielmehr an den nationalen Kern.“ Der EU-Spitzenkandidat der FPÖ hatte die EU ein „Negerkonglomerat“ genannt und deren Regulierungsvorschriften mit dem NS-Regime verglichen.
Eine Art Nullsummenspiel sieht Wolfgang Bachmayer (OGM): „Überspitzt formuliert: Mölzer ist ungünstig für die FPÖ, Martin ist günstig für die FPÖ.“ Vor allem das Bemühen Heinz-Christian Straches, die FPÖ aus dem rechten Eck in Richtung Mitte zu führen – mit der Entmachtung von Martin Graf, dem Werben um die „anständigen, angepassten“ Zuwanderer, der zuletzt öffentlich mehrmals bekundeten Abscheu gegenüber dem NS-Regime –, sei durch die Mölzer-Sager konterkariert worden.
In einer Hajek-Umfrage für ATV (Sample: 1000) vor zwei Wochen lag die SPÖ mit 25Prozent auf Platz eins bei der EU-Wahl, die ÖVP folgte mit 24. Zwei Wochen später wies Unique Research, an dem Hajek ebenfalls beteiligt ist, im Auftrag von „Profil“ die ÖVP auf dem ersten Platz aus (26 Prozent), Platz zwei ginge demnach an die SPÖ (23 Prozent). „Das liegt alles innerhalb der Schwankungsbreite“, erklärt Hajek die Unterschiede.
Die FPÖ kommt in der „Profil“-Umfrage auf 20 Prozent, in jener von Pollwatch auf 23Prozent. Um Platz vier matchen sich Neos und Grüne: Bei Hajek liegen die Neos mit 13 zu elf Prozent derzeit sogar voran.
Entscheidend ist die Frage: Wohin wandern jene 17,7 Prozent der Wähler, die 2009 für Hans-Peter Martin gestimmt haben? In den Umfragen sind sie schon aufgeteilt, die Liste Martin wurde zuletzt nur noch mit rund drei Prozent ausgewiesen. Ein großer Teil dürfte zur FPÖ zurückgekehrt sein. Ein noch größerer ins Lager der Nichtwähler. Darin sind sich die Meinungsforscher einig. Die Nichtwähler – ihr Anteil wird mit rund 40 Prozent angegeben – könnten überhaupt die stärkste Gruppe bei dieser EU-Wahl werden.
Ob auch kleinere Protestparteien wie Ewald Stadlers Rekos, Ulrike Haiders BZÖ und Martin Ehrenhausers Europa anders (Piraten plus Kommunisten) davon profitieren können? Ein wenig. „Aber sie müssten medial schon eine große Kraft entwickeln, damit das für den Einzug reicht“, so Hajek.
Denn ohne „Kronen Zeitung“ wäre wohl auch Hans-Peter Martin nicht ins EU-Parlament gekommen. Das war wohl auch das Kalkül des BZÖ, Ulrike Haiders Kandidatur ebendort zu lancieren. Heute, Donnerstag, will das BZÖ dann seine Nummer zwei auf der EU-Liste präsentieren. Es könnte sich dabei um Angelika Werthmann handeln. 2009 hat sie noch auf der Liste von Hans-Peter Martin kandidiert.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.03.2014)