Pflicht zur Sperre illegaler Seiten

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Gegen Webseiten mit urheberrechtlich geschützten Inhalten können jetzt EU-weit Sperrverfügungen erwirkt werden. Seiten wie YouTube sollte das aber nicht betreffen.

Wien. Jetzt ist es fix: Internetprovider können verpflichtet werden, für ihre Kunden den Zugang zu Webseiten zu sperren, die Urheberrechte verletzen. Der EuGH bestätigte das in einer gestern veröffentlichten Entscheidung (C-314/12).

Anlassfall war ein österreichischer Rechtsstreit wegen der Webseite kino.to, die Raubkopien von Kinofilmen gratis zur Verfügung stellte. Die Seite gibt es nicht mehr, die Entscheidung hat aber weitreichende Folgen: Rechteinhaber können nun leichter ihre Ansprüche durchsetzen, weil sie jetzt auch gegen Provider vorgehen können und nicht nur gegen die Betreiber illegaler Seiten. Letztere sind oft schwer greifbar – so war es auch bei kino.to. Die Seite war in Tonga registriert, die dortigen Behörden weigerten sich, Daten herauszugeben.

Der Rechtsstreit begann damit, dass Wega Film und Constantin Film eine Verfügung gegen UPC Telekabel Wien durchsetzten, wonach diese ihren Kunden den Zugang zu kino.to sperren musste. UPC wehrte sich dagegen und argumentierte, ein Provider habe weder die Pflicht noch das Recht, im Internet angebotene Inhalte zu prüfen oder zu selektieren. Man habe auch keinerlei Geschäftsbeziehung mit den Betreibern von kino.to gehabt. Und letztlich gebe es keine Belege dafür, dass UPC-Kunden dort illegal urheberrechtlich geschützte Werke heruntergeladen hätten. Der OGH als letzte Instanz schaltete den EuGH ein und fragte ihn unter anderem, ob es mit dem Unionsrecht – und der erforderlichen Abwägung zwischen den Grundrechten der Beteiligten – vereinbar ist, einem Provider zu verbieten, dass er seinen Kunden den Zugang zu einer bestimmten Webseite ermöglicht.

Hohes Schutzniveau

Der EuGH betont nun, dass die Richtlinie ein hohes Schutzniveau für Rechteinhaber gewährleisten soll: Eine Geschäftsbeziehung zwischen dem Provider und dem Anbieter der geschützten Inhalte sei nicht erforderlich, damit eine Sperre verfügt werden kann. Dass der Provider den Zugang zur illegalen Quelle bietet, genügt. Und weil die Richtlinie Urheberrechtsverletzungen vorbeugen soll, muss auch nicht nachgewiesen werden, dass wirklich Kunden des Providers auf die geschützten Inhalte zugreifen.

Aber auch die Grundrechte der Provider und Nutzer müssen gewahrt bleiben: Die Zugangssperre darf weder die Informationsfreiheit noch die unternehmerische Freiheit zunichtemachen. Der Provider muss deshalb selbst entscheiden können, welche Maßnahmen er setzt, und nur so viel tun, wie ihm aufgrund seiner Ressourcen zumutbar ist. Kann er das nachweisen, ist er von seiner Haftung befreit. Eine Garantie, Urheberrechtsverletzungen zu verhindern, kann nicht von ihm verlangt werden.

Lukas Feiler, IT-Recht-Experte in der Anwaltskanzlei Baker & McKenzie in Wien, sieht in dem Urteil einen entscheidenden Fortschritt für die Durchsetzung von Urheberrechten im Internet: Rechteinhaber könnten nun in allen Mitgliedstaaten mit einer Sperrverfügung, gegen Störungen vorgehen. Feiler zufolge wurden solche Verfügungen bisher nur in zehn Mitgliedstaaten genehmigt; Deutschland als wichtigster Markt für deutschsprachige Filme sei beispielsweise nicht darunter gewesen. Ab sofort müssen die Mitgliedstaaten entweder aufgrund einer richtlinienkonformen Interpretation oder auf Basis eigener Gesetze Sperren zulassen, um nicht in die Gefahr einer Staatshaftung zu kommen.

Die Rechteinhaber müssen dafür bloß bescheinigen, dass Anbieter von Internetzugangsdiensten den Zugriff auf geschützte Werke ermöglichen. Aber: Einen Anlass für eine Sperre können nur Seiten bieten, die systematisch geschützte Rechte verletzen. Eine Sperre von Seiten wie YouTube, auf denen sich neben vielen zulässigen Beiträgen auch das eine oder andere urheberrechtlich geschützte Werk findet, wäre nach Einschätzung Feilers ein überschießender Eingriff in die Informationsfreiheit. Das sieht sichtlich auch der OGH so: In seinen Fragen an den EuGH war von Seiten die Rede, die „ausschließlich oder weit überwiegend“ geschützte Inhalte veröffentlichen.

Dessen ungeachtet gibt es schon scharfe Kritik an der Entscheidung. So spricht die ISPA (Dachverband der österreichischen Internetwirtschaft) von einem „Sieg der Verwertungsgesellschaften über die Meinungsfreiheit im Internet“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.03.2014)

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