Nettoeinkommen: Das verlorene Vierteljahrhundert

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Die nominellen Bruttolöhne steigen zwar Jahr für Jahr, netto stagnieren die Reallöhne aber seit 24 Jahren: Was die Inflation übrig lässt, fressen Steuererhöhungen und kalte Progression weg.

Wien. Es ist nur eine kleine, versteckte Grafik im jüngsten Wifo-Prognosebericht – aber sie hat enorme Sprengkraft: Zeigt sie doch, dass die Netto-pro-Kopf-Einkommen (also die Lohnsteigerungen abzüglich Inflation und Steuererhöhungen) in Summe seit 24 Jahren praktisch stagnieren. In diesem Zeitraum sind sie deutlich öfter gesunken als gestiegen – obwohl es praktisch jedes Jahr nominelle Lohnsteigerungen gegeben hat.

Am Beispiel des Vorjahres: Da sind die österreichischen Bruttolöhne und Gehälter (pro Kopf) im Schnitt um 2,1Prozent gestiegen. Wer 2000 Euro verdient, hat also 42Euro brutto mehr auf dem Gehaltszettel gefunden. Die Inflation hat daraus eine reale Kaufkraftsteigerung von gerade noch zwei Euro gemacht. Allerdings brutto. Nach Abzug der Steuern blieb dann unter dem Strich ein reales Minus von sechs Euro übrig. Auch heuer wird unter dem Strich ein kleines Minus stehen.

Wifo-Chef Karl Aiginger meint zwar, das Pro-Kopf-Ergebnis sei durch die Zunahme von Teilzeitjobs ein wenig verfälscht. Das ändert aber an dem Faktum, dass aus einem Bruttozuwachs sehr oft ein reales Nettominus wird, nichts. Im Gegenteil: Bei niedrigen Teilzeiteinkommen schlägt die Steuer ja viel weniger dramatisch zu als bei höheren Löhnen.

Dass daran „teilweise“ der Staat mit immer höheren Steuern schuld sei, bestätigt Wifo-Experte Marcus Scheiblecker. Das lässt sich aber auch an der Steuer- und Abgabenquote sehr schön ablesen: Diese lag laut OECD-Angaben zu Beginn der Neunzigerjahre in Österreich bei 39,7 Prozent des BIPs– und hat heuer 45,2 Prozent erreicht. Auf heutiger BIP-Basis nimmt der Staat den Einkommensbeziehern heuer also um 16 Milliarden Euro pro Jahr mehr ab als 1990. Allein die jüngste, am 1. März in Kraft getretene Steuererhöhung belastet die heimischen Steuerzahler mit 1,1 Milliarden Euro.

Im Vorjahr war eine Studie der Schweizer Großbank UBS, die einen starken Rückgang der Reallöhne konstatiert hatte, in Österreich wütend dementiert worden. Die Nationalbank hatte damals über die letzten 14Jahre einen kumulierten Reallohnzuwachs von mehr als zehn Prozent errechnet.

Allerdings: Die Reallohnberechnungen beziehen sich jeweils auf die Bruttolöhne. Die Wifo-Zahlen zeigen jetzt: Was die Inflation übrig lässt, steuert der Staat weg. In vielen Jahren sogar noch deutlich mehr.

Dass die für die Wirtschaft wichtigen Konsumausgaben trotzdem nicht schrumpfen, sondern sogar leicht steigen, hat einen anderen Grund: Die Bevölkerung wächst ebenso wie die Zahl der Arbeitsplätze. Obwohl die Pro-Kopf-Einkommen bestenfalls stagnieren, bleibt in Summe also mehr Geld zum Ausgeben. Heuer dürften die privaten Konsumausgaben laut Wifo um 0,8 Prozent steigen. Im Vorjahr sind sie um 0,2 Prozent geschrumpft.

AUF EINEN BLICK

Löhne. Die realen Pro-Kopf-Nettoeinkommen sind seit Beginn der Neunzigerjahre in Summe nicht mehr gewachsen. Das zeigen Daten des Wirtschaftsforschungsinstituts. Was die Inflation von den Bruttolohnsteigerungen real übrig lässt, holt sich der Staat über immer höhere Steuern und Abgaben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.03.2014)

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