Gutachten: "Festplattenabgabe ist das bessere Modell"

Puzzleteile und @-Zeichen - jigsaw and at sign
Puzzleteile und @-Zeichen - jigsaw and at signwww.BilderBox.com
  • Drucken

Die Verwertungsgesellschaften werfen der Gegenseite vor, mit falschen Zahlen zu argumentieren. Und präsentierten nun ein Gutachten, das diesen Standpunkt untermauert.

Der Streit um die Festplattenabgabe spitzt sich zu. Die österreichischen Verwertungsgesellschaften, die die Einhebung der Abgabe fordern, werfen nun jenen, die statt dessen eine "Haushaltsabgabe" befürworten, das Argumentieren mit "falschen und massiv irreführenden" Zahlen vor. Konkret richtet sich der Vorwurf an den Elektrohandel und die Geräteindustrie. Diese plädieren bekanntlich - ebenso wie der Verein für Internet-Benutzer (VIBE) - für eine Abgabe von 50 Cent pro Monat, die mit der ORF-Gebühr eingehoben werden soll, anstatt Geräte mit Speichermedien - bis hin zum Handy - mit einer Abgabe zu belasten.

Die Verwertungsgesellschaften legten am Montag ein Gutachten der Ökonomin und Projektberaterin Agnes Streissler-Führer vor. Demnach würden die von den Verwertungsgesellschaften vorgeschlagenen Tarife für die Kunstschaffenden insgesamt rund 39,5 Millionen Euro einbringen. Das Modell einer mit der ORF-Gebühr eingehobenen Haushaltsabgabe würde dagegen deutlich weniger Einnahmen lukrieren, obwohl es fast jeden Haushalt träfe - auch Personen, die gar keine Festplatten oder Speichermedien besitzen. "3,5 Millionen Haushalte in Österreich haben eine Rundfunkbewilligung, davon sind 300.000 gebührenbefreit. Gemessen an den 3,2 Millionen Haushalten, die ORF-Gebühren bezahlen, würden mit einer Haushaltsabgabe von monatlichen 50 Cent nur rund 19,2 Millionen Euro an die Verwertungsgesellschaften und damit an die Kunstschaffenden fließen", rechnet Streissler-Führer vor.

Wollte man über die Haushaltsabgabe eine Summe von rund 40 Millionen Euro für die Künstler erreichen, müsste die GIS-Rechnung im Monat um mehr als einen Euro bzw. fast fünf Prozent steigen, so die Ökonomin, die noch ein weiteres Argument ins Spiel bringt: Staatliche Rundfunkgebühren seien ein sensibles und hochpolitisches Thema, und es sei volkswirtschaftlich nicht sinnvoll, „das Einkommen von Kunstschaffenden von politischen Diskussionen um die ORF-Gebühren abhängig zu machen".

2000 oder "nur" 96 Arbeitsplätze?

Die Befürchtungen der WKO, wonach die Festplattenabgabe zu Kaufkraft- und Arbeitsplatzverlusten führen würde, sind für Streissler-Führer nicht nachvollziehbar. Die WKO rechnet, wie berichtet, mit einem Umsatzrückgang von 15 Prozent im Elektrohandel und einer Gefährdung von bis zu 2000 Arbeitsplätzen, wenn die Festplattenabgabe tatsächlich eingehoben wird. Die Ökonomin hält dagegen, dass eine solche Regelung alle Händler treffen würde, unabhängig von ihrem Firmensitz. „Damit wären auch Einkäufe über ausländische Internet-Plattformen erfasst." Selbst unter der Annahme einer relativ hohen Preiselastizität von Festplatten dürften die Umsatzrückgänge höchstens fünf Prozent ausmachen, heißt es in dem Gutachten. „Damit wären, geschätzt aus den Zahlen von Statistik Austria, maximal 96 gefährdete Arbeitsplätze verbunden."

Franz Medwenitsch, Geschäftsführer der Verwertungsgesellschaft LSG, bezeichnet die Festplattenabgabe als wesentliches Fundament für die berufliche Existenz der Künstler. Sie stehe im Einklang mit EU-Recht. Eine Haushaltsabgabe einzuführen, sei demgegenüber "ein gesetzliches Experiment und ein mehr als fragwürdiger Alleingang Österreichs in der EU". Austro-mechana-Geschäftsführer Gernot Graninger betont, dass weiterhin Gesprächsbereitschaft bestehe: Die Einladung an Handel und Industrie, sich mit den Verwertungsgesellschaften an den Verhandlungstisch zu setzen, sei nach wie vor aufrecht.

Mehrere Gerichtsentscheidungen haben in letzter Zeit die Position der Verwertungsgesellschaften gestärkt. So entschied vor kurzem das Oberlandesgericht Wien, dass auch Speichermedien in Handys grundsätzlich vergütungspflichtig sind.

Uneingeschränkt treffsicher ist allerdings auch die Festplattenabgabe nicht, denn auch jene müssten sie zahlen, die mit ihrem Handy bloß telefonieren wollen, ihr Notebook vor allem zum Arbeiten benützen und da wie dort höchstens selbst geschossene Fotos speichern, aber keine fremden Werke. Sie könnten die Abgabe zurückverlangen, argumentieren die Befürworter. Rechtlich wäre das tatsächlich möglich, zumindest für Privatpersonen wäre der Nachweis in der Praxis aber schwierig.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Sony Corp´s President and Chief Executive Officer Hirai presents a new Sony Xperia Z1 smartphone during it´s world premier at the IFA consumer electronics fair in Berlin
Internet

OLG-Urteil: Festplattenabgabe auch für Sony-Handys

Ein weiteres OLG-Urteil bestätigt die Vergütungspflicht für Handys. Kritiker der Abgabe rechnen mit einer jährlichen Belastung von 200 Euro pro Haushalt.
Österreich

Elektrohandel sieht 2000 Jobs wackeln

Die Festplattenabgabe führe zu massiven Einbußen. Der Preisaufschlag durch die Abgabe vergraule die Kunden.
Millenium eSport professional gamer Cedric of France, nicknamed Crowmac, adjusts his headphone as he plays inside the Millenium Gaming House in Marseille
Mobil

Festplattenabgabe: "Handys sind keine Leerkassetten"

Kulturminister Ostermayer verteidigt nach dem jüngsten Urteil des OLG Wien die Festplattenabgabe. Kritik hagelt es von der "Plattform für modernes Urheberrecht".
Tech

Festplattenabgabe: OGH-Entscheid heizt Debatte neu an

Laut Höchstgericht kann die Einhebung einer Festplattenvergütung auch jetzt schon rechtmäßig sein. Die Industrie hätte lieber eine „Kulturabgabe“ für alle.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.