Klimawandel: „Die Welt ist nicht vorbereitet“

Klimawandel, Erwärmung
Klimawandel, Erwärmung(c) APA/EPA/HOTLI SIMANJUNTAK (HOTLI SIMANJUNTAK)
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Im neuen Bericht bleibt der UN-Klimabeirat bei seinen Prognosen und sieht vor allem die Armenhäuser unter dem Klima leiden.

Wien/Yokohama. Bringt der Klimawandel Hunger, Völkerwanderungen, Kriege? Auf all das wird irgendwo auf den 2500 Seiten des Sachstandsberichts des UN-Klimabeirats IPCC angespielt, der am Montag in Yokohama (Japan) präsentiert wurde. Dabei selbst ging es weniger dramatisch zu, und auch im entscheidenden Teil – der Zusammenfassung „Summary for Policymakers“ – finden sich die Schrecken nicht. Stattdessen wird verdeckt eingeräumt, dass es auch im Mittelalter einmal so warm war wie heute – und dass die globale Erwärmung seit 1998 stillsteht.

Der IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) erwartet aber nicht, dass es dabei bleibt: Um 0,85 Grad sind die Temperaturen global seit 1880 gestiegen, um 0,3 bis 0,7 Grad wird es wahrscheinlich („likely“) bis 2035 nach oben gehen, um 0,3 bis 4,8 Grad bis 2100 („likely“ über zwei Grad), je nach durchgerechnetem Modell. Steigen werden auch die Meeresspiegel, um 26 bis 82 Zentimeter. Ebenfalls erhöhen werden sich die Niederschläge, zumindest in hohen Breiten, in mittleren gibt es ein gemischtes Bild, in subtropischen trockenen Regionen wird mehr Trockenheit erwartet. All das wird auf Tiere und Menschen durchschlagen: Allerdings prognostiziert der IPCC nicht mehr wie früher ausgedehntes Artensterben – die Modelle, die das prognostizieren, seien zu unsicher –, nun geht es um das Wandern der Tiere in kühlere Regionen, vor allem bei den Fischen würde das die Menschen im Süden treffen. Auf dem Land erwartet der IPCC durch die veränderten Niederschläge um zwei Prozent geringere Ernten pro Jahrzehnt bei Weizen, um ein Prozent bei Mais, Soja und Reis werden konstant bleiben. Eine Gegenrechnung gibt es im Bericht nicht, aber auftauende Permafrostböden werden schon bestellt werden, wohl auch mit angepassten Sorten, und erst letzte Woche bescheinigte eine Studie den Olivenbauern, sie würden zu den Gewinnern des Klimawandels zählen.

Insgesamt erwartet der IPCC ökonomische Schäden durch eine Erwärmung um zwei Grad in der Höhe von 0,2 bis zwei Prozent der Wirtschaftskraft. Und er sieht vor allem die Armenhäuser im Süden in Bedrängnis kommen und die „Umsiedlung von Menschen“ wachsen (allerdings gebe es kaum Hinweise auf Klimaflüchtlinge). Summa: „Im 21. Jahrhundert wird der Klimawandel das ökonomische Wachstum bremsen, die Armutsbekämpfung schwieriger machen, die Nahrungssicherheit weiter erodieren lassen und neue Armutsfallen bringen, vor allem in städtischen Gebieten und neu entstehenden Hotspots von Hunger.“

Nötig: 100 Milliarden Dollar

All das sei in Ansätzen schon zu sehen: „Wenn man sich die Welt heute anschaut, sind Menschen, Städte, Ökonomie und Nationen nicht vorbereitet auf die Klimarisken, denen wir uns nun gegenübersehen“, sagte Chris Field, Ko-Vorsitzender der IPCC-Arbeitsgruppe: „Die Änderungen des Klimas, die schon geschehen sind, sind vielfältig und hatten Konsequenzen. Es ist nicht so, dass der Klimawandel eine Sache der Zukunft ist.“

Deshalb habe sich die Welt jetzt „anzupassen“, ergänzte IPCC-Chef Rajendra Pachauri, und die reiche Welt tue das ja auch, sie ziehe die Deiche höher etc. Aber die Armen brauchen 100 Milliarden Dollar, so steht es im Bericht – aus der „Summary for Policymakers“ wurde das im letzten Moment gestrichen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.04.2014)

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