Eine simple Rechnung für Premier Erdoğan

Der ökonomische Aufschwung hat der AKP den Erfolg beschert.

Bei seiner Rede auf dem Balkon der AKP-Parteizentrale war der türkische Ministerpräsident, Recep Tayyip Erdoğan, ganz der Sieger, der er gern ist. Die Kommunalwahlen am Sonntag haben der Regierungspartei eine satte Zustimmung eingebracht und Erdoğans Vision einer „Neuen Türkei“ bestätigt. Der Aufbau einer „Neuen Türkei“ unter seiner Ägide war in Wahlkampfreden des Ministerpräsidenten omnipräsent: ein ökonomisch starkes und selbstbewusstes Land, das sich von den militärischen, säkularen und elitären Strukturen der Vergangenheit verabschiedet. Den Kampf um die „Neue Türkei“ verglich Erdoğan mit dem Türkischen Befreiungskrieg (1919–1923), der die Gründung der Republik durch Mustafa Kemal Atatürk zur Folge hatte. In anderen Worten: Erdoğan als der neue Atatürk, der neue starke Mann.

Viele Bürger haben ihm recht gegeben, wie das Wahlergebnis zeigt. Das mag überraschen, angesichts der Korruptionsaffäre sowie der Drohgebärden des zunehmend autoritär auftretenden Premiers. Die Zerschlagung der Gezi-Proteste, die Versetzung und Kündigung tausender Polizisten und Justizbeamten – das und viel mehr scheint die Wähler kaum beeindruckt zu haben. Denn die Bürger kennen das. Die Regierungen vor Erdoğan können in Sachen Korruption locker mithalten, nur haben sie – im Gegensatz zur AKP – nicht für Stabilität sorgen können. Es war Erdoğans Partei, die den Demokratisierungsprozess im Zuge der EU-Beitrittsverhandlungen – zumindest streckenweise – vorangetrieben und für Entspannung bei den Beziehungen zu den Minderheiten gesorgt hat. Noch wichtiger ist der ökonomische Aufstieg des Landes. Die Rechnung ist simpel: Die Menschen haben Arbeit bekommen, ihr Dank steht auf dem Stimmzettel.

Erdoğan hat immer gewusst, dass er auf eine breite Zustimmung zählen kann. So lässt sich auch sein bisweilen antidemokratischer Regierungsstil erklären. Und das Wahlergebnis ist für ihn nun eine weitere Bestätigung.

E-Mails an: duygu.oezkan@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.04.2014)

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