Deflation: Der Preis des Geldes

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Deflation, Eurozone, Euro(c) APA/EPA/MAURITZ ANTIN (MAURITZ ANTIN)
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Die Inflationsrate in der Eurozone sinkt auf 0,5 Prozent, in Spanien herrscht Deflation. Fallen bald die Preise? Wo bleibt die oft befürchtete Inflation? "Die Presse" beantwortet die wichtigsten Fragen.

Wien. Null Komma fünf Prozent: Die Teuerung in der Eurozone war im März so niedrig wie seit November 2009 nicht mehr. Manche Experten und Politiker befürchten schon die Deflation – also fallende Preise als Folge einer schrumpfenden Geldmenge. In Spanien ist es schon so weit, dort sanken die Preise zuletzt tatsächlich um 0,2 Prozent. „Die Presse“ beantwortet die drängendsten Fragen.

1 Warum sollte man vor fallenden Preisen überhaupt Angst haben? Wo liegt das Problem?

Deflation ist ein zweischneidiges Schwert. Wenn die Produktivität steigt und Preise daher fallen, ist das durchaus wünschenswert. Die seit vielen Jahren fallenden Preise für Computer sind hierfür ein gutes Beispiel. Die aktuellen deflationären Kräfte sind aber eher die Gegenbewegung zu einer vorangegangenen inflationären Übertreibung (Blase). Dieser Prozess ist hart, aber notwendig. Wenn er aber zu einem insgesamt fallenden Preisniveau führt, dann müssen auch die Löhne sinken. Daran sind die Menschen nach Jahrzehnten der Inflation einfach nicht gewöhnt.

2 Aber auch vor Inflation wird immer wieder gewarnt. Wo liegt die Gefahr bei einer Inflation?

Bei der Teuerung ist es umgekehrt: Inflation, die zu stark steigenden Preisen führt, schädigt die kleinen Leute und Sparer, während sie Reiche und Schuldner bevorzugt. Das liegt daran, dass frisches Geld immer zuerst an Großabnehmer wie Banken und Staaten geht und die Löhne erst angehoben werden, nachdem die Preise schon gestiegen sind. So wird Kaufkraft von unten nach oben umverteilt. Seit die USA 1971 die Goldbindung der Weltwährung Dollar aufgehoben haben, hat die Inflation weltweit sehr stark angezogen. Daher auch die seither wachsende Ungleichheit. Derzeit vergeben die Banken aber zu wenige Kredite, die Geldmenge schrumpft.

3 Was haben denn die Banken mit der Geldmenge zu tun? Steuert diese nicht die Zentralbank?

Die Zentralbank gibt durch die Leitzinsen sozusagen den Preis des Geldes vor. Aber die Banken müssen nur einen kleinen Teil jeder als Kredit vergebenen Summe tatsächlich in Cash halten. Sie erschaffen de facto bei der Kreditvergabe Geld aus der Luft. Wenn sie aber keine Kredite vergeben wollen und die Zinsen schon extrem niedrig sind, gehen der Zentralbank die Möglichkeiten aus.

4 Aber es kommt zumindest nicht zur lang befürchteten Inflation. Das ist doch gut, oder?

Ja und nein. Die Inflationsangst ist seit der Krise gewachsen, weil die Zentralbanken zu einer extrem lockeren Geldpolitik übergegangen sind und die Menge an Zentralbankgeld (Cash) stark ausgeweitet haben. Die Logik war: Wenn die Wirtschaft anzieht und dieses Geld als Grundlage für Kredite verwendet wird, dann wächst die Geldmenge, und es kommt zur Inflation. Diese Logik gilt immer noch. Wenn die Wirtschaft wieder deutlich anzieht, müssen die Zentralbanken rasch reagieren und die Notliquidität abziehen – sonst steigt die Inflationsrate. Es ist bisher aber nicht zu einer nachhaltigen und stabilen Erholung gekommen. Die Arbeitslosigkeit ist in Europa weiterhin fast auf Rekordniveau. Zwar kehrt das Vertrauen der Investoren in Europa langsam wieder zurück, die Krise ist aber noch nicht vorbei.

5 Aber wenigstens muss man sich jetzt keine Sorgen mehr um eine Hyperinflation machen

Hyperinflation ist die ultimative Katastrophe eines Geldsystems und kann einsetzen, wenn die Menschen das Vertrauen in Geld verlieren. Das passiert, wenn Staaten oder Banken um jeden Preis gerettet werden sollen – und sei es durch simples Drucken frischen Geldes. Aber die Europäische Zentralbank hat sich bisher nicht auf den gefährlichen Pfad der „Staatsfinanzierung durch die Notenpresse“ begeben. In der Eurozone ist Hyperinflation also tatsächlich keine große Gefahr.

6 Aber jetzt, da offiziell Deflationsgefahr herrscht, rufen viele wieder nach der EZB

Ja, die Rufe nach einem Eingriff der EZB werden wieder lauter. Möglich, dass sie die Zinsen schon am Donnerstag wieder senkt. Aber das wird kaum einen Unterschied machen. Sie muss aber sicherlich keine Staatsanleihen kaufen, da Spanien und Co. sich derzeit sehr günstig refinanzieren können. Möglich, dass milde Deflation in der Peripherie aus Sicht der EZB sogar ein erwünschter Teil eines Anpassungsprozesses in der Eurozone ist.

7 Was bedeutet das für Österreich? Werden die Preise auch hierzulande bald sinken?

Davon ist nicht auszugehen. Die Inflationsrate liegt in Österreich bei 1,5 Prozent – Nahrungsmittel steigen immer noch um mehr als drei Prozent pro Monat im Preis. Dazu kommen die steigenden Steuern und Gebühren, die für die auch im Vergleich mit Deutschland hohe Teuerung verantwortlich sind.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.04.2014)

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