EU: Keine Tempolimits im Internet

Netzwerkkabel vor Binaerem Code
Netzwerkkabel vor Binaerem CodeAPA/dpa/Oliver Berg
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Das Europaparlament stimmt für das Ende der Roaminggebühren und gegen Einschränkung der Netzneutralität – ein Internet der zwei Geschwindigkeiten soll es nicht geben.

Brüssel. Es ist ein sperriger Begriff mit viel Sprengkraft - die sogenannte Netzneutralität, der zufolge jedes im Internet transferierte Datenpaket gleich viel wert ist und daher gleich behandelt werden muss. Was lange Zeit als unverrückbarer Eckpfeiler des World Wide Web gegolten hatte, gilt mittlerweile nicht mehr als selbstverständlich: Vor zweieinhalb Monaten urteilte ein Gericht in Washington, dass die Vorschrift, wonach Daten gleichberechtigt behandelt werden müssen, gegen das Recht auf freie Meinungsäußerung verstoße. Eingebracht wurde die Klage vom Telekom-Konzern Verizon, der - sollte das Urteil standhalten - bestimmte Inhalte gegen Aufpreis schneller durch seine Netze leiten darf.
Was in den USA demnächst Usus sein könnte, bleibt in der EU tabu. Das Europaparlament stimmte am gestrigen Donnerstag gegen einen Vorschlag der EU-Kommission, ein Internet der zwei Geschwindigkeiten zuzulassen. Die Funktionsweise des Internets dürfe nicht durch Spezialangebote beeinträchtigt werden, beschlossen die Abgeordneten. Alle Angebote im Netz müssen gleich gut funktionieren, eine Diskriminierung bestimmter Daten darf es nicht geben.

Die Causa Netzneutralität kam im Vorjahr im Zuge eines Telekom-Reformpakets der EU-Kommission auf, dessen Hauptbestandteil die Abschaffung der Roaminggebühren war. In dem EU-Gesetzesentwurf begraben war allerdings ein Passus, dem zufolge die Einführung von Online-Diensten in besonders guter Qualität erlaubt werden sollte. Zwar sollte die Benachteiligung bestimmter Internet-Inhalte nach wie vor verboten bleiben - allerdings mit Ausnahme, von Fällen, „wo es notwendig ist, vernünftige Maßnahmen für Traffic-Management anzuwenden".

Den Kritikern des Entwurfs (allen voran die europäischen Sozialdemokraten und Grünen) war der Begriff „vernünftige Maßnahmen" zu schwammig. Sie befürchteten, dass große Unternehmen wie Facebook oder Google Internet-Provider dafür bezahlen könnten, Angebote der Konkurrenz zu verlangsamen. Die Befürworter der Neuregelung (darunter die Europäische Volkspartei) brachten wiederum das Argument ins Feld, wonach bestimmte Dienste, die viel Kapazitäten in Anspruch nehmen (etwa das Streaming von Operationen), unter dem Status quo leiden würden.

Das Europaparlament hat sich für einen Mittelweg entschieden: Eine Sonderbehandlung für Dienste mit großen Datenmengen soll demnach erlaubt sein, bei gleichwertigen Diensten (also Suchmaschinen, sozialen Netzwerken etc.) bleibt eine Diskriminierung unzulässig. Und die Unternehmen müssen jede Drosselung der Übertragungsgeschwindigkeit transparent machen und begründen.

Roaming ohne Aufpreis

Während die Netzneutralität im Plenum umstritten war, gab es beim Kernpunkt des Kommissionsvorschlags Einigung: Die Preiszuschläge für Mobiltelefonie im europäischen Ausland sollen demnach bis Dezember 2015 endgültig fallen - ab dann werden innerhalb der EU ausschließlich die jeweiligen Inlandstarife gelten. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die EU-Mitglieder ihren Sanktus geben, denn bei Roaming und Netzneutralität entscheidet der Rat mit. Die Verhandlungen darüber werden voraussichtlich im Herbst starten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.04.2014)

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