Habsburgs weltläufige Europäer

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Jüdisches: In Hohenems zeigt sich die geistige Weite einer mutwillig zerstörten Welt.

Einen anderen Zugang als Wien wählt das stets besonders aktive Jüdische Museum in Hohenems. Felicitas Heimann-Jelinek und Michaela Feurstein-Prasser stellen die Juden des Habsburgerreiches als die ersten Europäer dar. Der erste „Judenschutzbrief“ in Vorarlberg stammt aus der Reichsgrafschaft Hohenems von 1617, während im Reich Juden noch die Ansiedlung und der Kauf von Liegenschaften verboten waren, sieht man von den wenigen privilegierten „Hoffaktoren“ ab.

Verzweifelter Exilant

Ein besonders wertvolles Exponat ist hier das Manuskript Stefan Zweigs, das 1939 bis 1941 entstand und dem der überzeugte Europäer den berühmten Titel „Die Welt von gestern“ gab. Hier wirft der Dichter aus dem fernen Exil einen wehmütigen Blick zurück auf das Wien der Jahrhundertwende. „Die neue Welt frisst die alte auf“, resümiert er in diesen „Erinnerungen eines Europäers“, wie der Untertitel lautet.

Interessant auch die Entwicklung des jüdischen Buchdrucks. Es war nämlich ein christlicher Handwerker – Anton Schmid –, der sich ab 1793 dabei profilierte. Aus Zwettl stammend, spezialisierte er sich in Wien auf den hebräischen Buchdruck, seine Gebetbücher, Talmud- und Bibelausgaben errangen weltweiten Ruf. Er nützte die Gunst seiner Zeit: Noch bestanden das josephinische Einfuhrverbot hebräischer Bücher und das Verbot für Juden, Bücher zu drucken. So konnte Schmid die rege Nachfrage im Osmanischen Reich befriedigen und hervorragende Profite einstreichen. Und er durfte sich stolz „kaiserl. königl. privilegierter hebräischer Buchdrucker“ nennen.

Ein wertvoll bestickter Thoramantel erzählt die Familiengeschichte Hugo von Hofmannsthals. Sein Urgroßvater Ignatz zählte um 1806 zu jenen „trefflichen Männern“, die um die Wohlfahrt ihrer Glaubensgenossen besorgt waren und schließlich den Wiener Stadttempel schufen. Fünf wohlbestallte Wiener Juden unterschrieben 1824 die Hypothek, die den Bau dieses Biedermeier-Juwels ermöglichte.

Auch an den Schriftsteller Karl Emil Franzos wird erinnert. Seine Reisebilder aus Galizien, der Bukowina, Südrussland und Rumänien erschienen unter dem unglücklichen Titel „Aus Halb-Asien“. Damit setzte er sich zwischen alle Stühle: Die Antisemiten griffen den Titel dankbar auf, die Juden fühlten sich verunglimpft. (hws)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.04.2014)

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