Linke vor neuem Debakel

Ferenc Gyurcsány
Ferenc Gyurcsány(c) EPA
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Ihre Regierungszeit 2002 bis 2009 lastet schwer auf den Sozialisten. Dazu kommen Korruptionsskandale mitten im Wahlkampf.

Budapest. Ungarns Linke steuert darauf zu, ihr Debakel von der Parlamentswahl 2010 zu wiederholen. Jüngste Umfragen verheißen für sie jedenfalls für Sonntag nichts Gutes: Ihre Wahlallianz „Regierungswechsel“ liegt hoffnungslos abgeschlagen hinter der nationalkonservativen Regierungspartei Fidesz. Es ist nicht einmal auszuschließen, dass sie im letzten Moment auch noch von der rechtsradikalen Partei Jobbik überholt wird.

Der Grund für den verwahrlosten Zustand der Linken ist nicht zuletzt in den Jahren 2002 bis 2010 zu suchen, als linksliberale Regierungen am Ruder waren. Mit Ausnahme der Expertenregierung von Gordon Bajnai, dem 2009/2010 nur noch die undankbare Aufgabe blieb, den wirtschaftlichen Schaden zu begrenzen, taten sich die linksliberalen Regierungen von Péter Medgyessy (2002–2004) und Ferenc Gyurcsány (2004–2009) vor allem damit hervor, Reformen zu scheuen und die Schulden in astronomische Höhen zu treiben, wodurch sie das Land an den Rand der Pleite brachten.

Die Wähler straften diese Politik 2010 gnadenlos ab. Die Sozialisten erlangten nur 19 Prozent der Stimmen, ein historischer Tiefpunkt. Bereits kurz nach der Wahl entbrannte innerhalb der Partei ein unerbittlicher Machtkampf. Dem jungen Parteichef Attila Mesterházy stand der langjährige Premier Ferenc Gyurcsány gegenüber. Zur Überraschung der meisten Beobachter konnte sich Mesterházy im Tauziehen letztlich durchsetzen. Obwohl mit wenig Charisma gesegnet, entpuppte er sich doch als gewiefter Taktiker, der selbst einen Politiker vom Kaliber eines Gyurcsány auszustechen vermochte.

Nachdem dieser den Machtkampf verloren hatte, gründete er prompt seine eigene linke Partei Demokratische Koalition. Die Trennung währte indes nicht lange. Die beiden Politiker mussten erkennen, dass sie aufgrund der massiven Stärkung des Mehrheitswahlrechts durch Fidesz dazu verdammt sind, an einem Strang zu ziehen. Zusammen mit der Partei von Ex-Premier Bajnai, Gemeinsam-Dialog für Ungarn, und den Liberalen schmiedeten sie eine linke Wahlallianz. Die vier Parteien konnten sich sogar auf Mesterházy als Spitzenkandidaten einigen.

Obwohl die vereinte Linke sich mit viel Verve in den Wahlkampf stürzte, lief alles schief, was schieflaufen konnte. Nicht zuletzt auch deshalb, weil die Regierungspartei Fidesz und die ihr nahestehenden Medien, darunter das staatliche Radio und Fernsehen, den Wahlkampf der Linken torpedierten, indem sie mehrere Skandale um linke Politiker lancierten. Das größte Aufsehen erregte jener um Gábor Simon, Ex-Vizechef der Sozialisten.

Schwarzgeld in Österreich

Ausgerechnet zum Startschuss des Wahlkampfes wurde bekannt, dass der Politiker im Jänner 2008 ein Konto in Österreich eröffnet hatte, auf das er noch im selben Monat 575.000 Euro, und im April 2009 noch einmal 162.954 US-Dollar einzahlte, Herkunft unklar.

Hinzu kommt, dass Simon auch in Ungarn zig Millionen Forint versteckt hatte, unter anderem in einem Safe bei einem Bekannten. Dort fanden Ermittler auch einen gefälschten Reisepass des afrikanischen Staates Guinea-Bissau mit anderem Namen, aber Simons Bild. Simon ist seither wegen des Verdachts auf Veruntreuung und Urkundenfälschung in Untersuchungshaft.

Fidesz sieht sich in ihren in Endlosschleife genüsslich vorgebrachten Vorwürfen, dass die Linke eine „korrupte Bande“ sei, bestätigt. Offenbar wird die Linke auch von der Mehrheit der Wähler inzwischen so wahrgenommen.

UMFRAGEN

Ungarns konservativer Regierungspartei Fidesz werden in der letzten Umfrage 36 Prozent gegeben, dem linken Wahlbündnis 18, der rechtsextremen Jobbik 15. Diese Zahlen beziehen sich jedoch auf die gesamte Wählerschaft. Unter den Wählern, die sicher am Sonntag abstimmen wollen, lag Fidesz vor zwei Wochen rund um 50 Prozent. Es wird nicht ausgeschlossen, dass Jobbik letztlich vor der Linken liegt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.04.2014)

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