Die Typen des Putzens

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Besen(c) Michaela Bruckberger
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Die Philosophin Nicole C. Karafyllis unterscheidet in ihrem Buch "Putzen als Passion" vier Putztypen.

Wie jemand putzt, verrät viel über ihn. Vorausgesetzt, dass er putzt. Wobei, auch wenn jemand lieber putzen lässt, sagt das einiges: etwa, dass er (oder sie) sich dafür zu schade ist, sich nicht als Schmutzverursacher sehen will oder der Meinung ist, sich eine „Putzhilfe zu leisten“, wie es so schön heißt, gehöre einfach dazu.

Aber zurück zum Selberputzen und den unterschiedlichen Herangehensweisen. Die Philosophin Nicole C. Karafyllis unterscheidet in ihrem Buch „Putzen als Passion“ vier Putztypen: den Hygieniker, den Ästheten, den Funktionalisten und den Psychoanalytiker. Die meisten würden sich wohl irgendwo dazwischen einordnen. Dennoch macht diese Unterteilung deutlich, dass putzen eben mehr ist, als nur sauber zu machen.


Der Hygieniker. Er erinnert ein bisschen an Sisyphus. Denn sein oberstes Ziel – die Keimfreiheit – kann nie erreicht werden. Dennoch setzt er alles daran, diesem Ziel wenigstens möglichst nahe zu kommen. Sein Dilemma wird meist in dem Versprechen diverser Desinfektionsmittel deutlich, 99,9 Prozent der Bakterien zu beseitigen. Die restlichen 0,1 Prozent bereiten ihm schlaflose Nächte. Wie wir mit dem Hygieniker umgehen, macht aber auch deutlich, welchen Stellenwert das Putzen in unserer Gesellschaft hat. Denn – einmal abgesehen von der Verbissenheit, die ihn manchmal begleitet – will er seine Sache nur gut machen. Eine Eigenschaft, die ansonsten gerne gelobt wird – außer eben beim Putzen, dann ist man nämlich nicht ehrgeizig, sondern hat einen Putzfimmel.


Der Ästhet. Auch er sagt viel über unsere Gesellschaft aus – und dürfte zahlreich vorhanden sein, immerhin hat ihn die Putzmittelindustrie längst entdeckt. Sein Ziel sind glänzende Oberflächen, die schnell und ohne große Anstrengung erreicht werden. Laut Karafyllis hat die Liebe zur glänzenden Oberfläche etwas mit jener zur Aristokratie zu tun. Der Ästhet will repräsentieren, putzen sollen aber bitte die anderen. Und wenn man sich die nicht leisten kann, soll es einem die Industrie möglichst einfach machen. Auf Produktebene gipfelt das in den Sprühdosen, die versprechen, etwas sauber zu machen ohne groß mit den Händen schrubben zu müssen. Der Ästhet ist meist ein unkomplizierter Mensch, wirklich sauber ist es bei ihm aber nicht – außer er engagiert eine Putzhilfe.

Der Funktionalist. Der Funktionalist gesteht sich – im Unterschied zum Ästheten – ein, dass er Schmutz verursacht. Immerhin putzt er jene Gegenstände, die er benutzt, etwa Kochgeschirr oder Zahnputzbecher. Der Nachteil: Der Rest wird vernachlässigt. Der Funktionalist besitzt viele Spezialreiniger, aber keinen Universalreiniger. Der Boden wird nur mit dem Staubsauger gesäubert. Das Aufwaschen, Staubwischen und Fensterputzen lässt er aus. Und alles, was im Geschirrspüler Platz hat, wird auch dort gereinigt.

Der Psychoanalytiker. Er hat eine Gemeinsamkeit mit dem Hygieniker. Nämlich jene, dass er sich mit Schmutz beschäftigt. Allerdings begegnet er ihm nicht mit Angst, sondern Interesse. Der Psychoanalytiker betrachtet den Schmutz mit all seinen Geschichten und denkt beim Putzen gerne über seine Entstehungsgeschichte nach. Er ist ein Sammler, der sich nur schwer von Erinnerungsstücken trennt, und versucht in den Abgründen des Schmutzes auch etwas über seine seelischen Abgründe zu erfahren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.04.2014)

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