Die roten Plagiate in Wien

67. LANDESPARTEITAG DER SPOe WIEN: HAeUPL
67. LANDESPARTEITAG DER SPOe WIEN: HAeUPLAPA/GEORG HOCHMUTH
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Die SPÖ brannte ein Feuerwerk von neuen, kreativen Ideen für Wien ab – sie hat wieder die Themenführerschaft. Viele der Ideen sind aber nur "ausgeliehen".

Barbara Novak sprang begeistert auf: „Das sind Meilensteine!“ Als die SPÖ-Gemeinderätin euphorisch zu klatschen begann und rief: „Grüne und Neos werden sich anschauen“, leitet sie damit Standing Ovations für Bürgermeister Michael Häupl ein. Dieser meinte lächelnd: Er sei zufrieden mit seiner Partei. Sehr zufrieden.

Gratisnachhilfe für Pflichtschüler, Startschuss für ein neues U-Bahn-Milliardenprojekt, Ausbau des freien Internets (WLAN), mehr Grünraum für die Wiener, niedrigere Mieten, ein „Fest der Wissenschaft“ etc.: Die SPÖ hat den Auftrag von Häupl erfüllt. Gaben seit Beginn der Rathauskoalition die Grünen die Themen in Wien vor (Parkpickerlzonen-Ausweitung, Mariahilfer Straße, kompromisslose Förderung des Radverkehrs, Verkehrsberuhigung, mehr Lebensqualität etc.), hat die SPÖ seit ihrer Klausur wieder die Themenführerschaft übernommen. Immerhin hatte Häupl von seinen Stadträten für Rust „Leuchtturmprojekte“ eingefordert, über die die Wiener reden werden, die zeigen sollen, wofür die SPÖ steht – die ein Pfeiler des SPÖ-Wahlprogramms für die Wien-Wahl 2015 sein werden. Und das ist passiert.

Barbara Novak, SP-Sprecherin für Kommunikationstechnologie, dürfte besonders vom massiven Ausbau des Gratis-WLAN angetan gewesen sein. Handelt es sich doch um ein junges, urbanes Thema, um Neos- und Grün-Sympathisanten anzusprechen. Nur: Diese Idee hat sich die SPÖ (freundlich formuliert) „ausgeborgt“. Und zwar vom grünen Koalitionspartner, der das mit wenig Begeisterung registriert hat.

Nicht nur dieses Beispiel zeigt, dass die SPÖ keine Berührungsängste fremden Themen gegenüber besitzt. Die Bürgermeisterpartei versteht es exzellent, Themen anderer Parteien aufzugreifen, zu übernehmen und anschließend so zu vermarkten, dass sie in der Öffentlichkeit als SPÖ-Initiativen hängen bleiben. Der Grund dafür ist einfach: Die Partei hat umfangreiche Erfahrung auf diesem Gebiet gesammelt – wie ein (unvollständiger) Themenauszug aus den vergangenen Jahren zeigt.

  • Seit etlichen Jahren fordert Maria Vassilakou den Ausbau des freien Internets (WLAN) in Wien. Seit etlichen Jahren wurde das von der SPÖ, salopp formuliert, als grüne Spinnerei abgetan. Mit der grünen Regierungsbeteiligung verkündete Vassilakou den Ausbau, für mehr als einen Bereich auf der Donauinsel reichte es nicht – das Projekt geriet wieder in Vergessenheit. Nun kapert die SPÖ das grüne Thema: Zuerst wird es drei WLAN-Punkte geben, später WLAN in ganz Wien. Die SPÖ gibt sich damit einen jungen, urbanen Anstrich, die Grünen dürfen dabei nur zusehen.
  • Im Kampf um junge Wähler vermittelt die SPÖ noch heute: Michael Häupl hat die 24-Stunden-U-Bahn eingeführt. Jugendliche können am Wochenende länger ausgehen und kommen sicher bzw. ohne teure Taxifahrten nach Hause – diese mögen das bei Wahlen doch bitte bedenken, wird vermittelt. Vergessen ist längst, dass der damalige Chef der Jungen ÖVP, ein gewisser Sebastian Kurz, mit seiner 24-Stunden-U-Bahn gegen SPÖ-Mauern gerannt ist. Er startete eine Kampagne, die SPÖ wollte dieses erfolgreiche VP-Thema mit der Wiener Volksbefragung elegant entsorgen. Dummerweise stimmten die Wiener knapp für die 24-Stunden-U-Bahn. Und diese wurde so gut angenommen, dass die SPÖ das Thema kaperte und perfekt als ihre eigene Initiative vermarktet. Bei den Nachtbussen richtete der damalige VP-Chef Johannes Hahn eine eigene Nachtbuslinie auf ÖVP-Kosten ein, weil das rote Rathaus diese VP-Strecke als „nicht sinnvoll“ erachtete. Die Linie war erfolgreich, die „Gio-Nightline“ wurde ins Nachtautobus-Netz integriert, wofür sich die SPÖ feiern ließ.
  • Der grüne Koalitionspartner trommelt seit 2010: mehr Grünraum, also Lebensqualität, für die Wiener. Viel konnte Vassilakou nicht umsetzen, dafür verkündete Umweltstadträtin Ulrike Sima nun die größte Grünrauminitiative seit Jahren: mehr Parks, mehr grüne Erholungsflächen, mehr Platz zum Chillen für alle Wiener. Das Signal: Die Sozialdemokraten sind die besseren Grünen, man möge sie dafür doch bitte auch wählen.
  • Künftig wird als Gegenveranstaltung zum umstrittenen FPÖ-Akademikerball (früher: WKR-Ball) zeitgleich ein „Fest der Wissenschaft“ abgehalten. Die SPÖ vermarktet sich als führende, antifaschistische Kraft in Wien. Die Idee stammt dem Vernehmen nach von einem Uni-Mitarbeiter, der sie dem Wissenschaftsbeauftragten Alexander Van der Bellen und der SPÖ vorschlug. Die SPÖ war schneller, präsentierte nun „ihre“ Idee und vermarktet sich als bessere Wahl (als die Grünen) im Kampf gegen die FPÖ.
  • Jahrzehntelang war der Donaukanal ein tristes, unattraktives Gebiet. Die ÖVP forderte laufend eine Belebung, der damalige Parteichef Johannes Hahn brachte Vorschläge zum Umbau in ein Freizeit- und Erholungsgebiet. Passiert ist nichts – bis die ÖVP mit Tricks die Genehmigung für eine Strandbar am Donaukanal bekam. Die SPÖ musste reagieren und verkündete „ihre“ Offensive mit Strandbars etc. Heute ist der Donaukanal ein jung-urbanes Erholungsgebiet mitten in der Stadt, für das sich die SPÖ feiern lässt.

Doch die Partei kann durchaus eigene Ideen anderen überlassen. Das rote Mariahilf forderte seit Jahren eine Fußgängerzone auf der Mariahilfer Straße, der damalige Planungsstadtrat Rudolf Schicker kündigte sie an, sie wurde im Koalitionspakt 2010 festgeschrieben – die zuständige grüne Stadträtin Maria Vassilakou setzte es um. Als das Projekt für jede Menge Ärger sorgte, hielt sich die SPÖ nobel zurück. Durch geschickte rote PR blieb öffentlich hängen: Die Grünen wollten das aus ideologischen Gründen, die SPÖ stehe nicht wirklich dahinter, man habe es aber nicht verhindern können, weil man eben in einer Koalition sei. 

Projekte

SPÖ-Thinktank I Bereits in Zeiten der SPÖ-Alleinregierung in Wien nutzte die Partei die Grünen als Thinktank. In rund zehn Jahren wurden rund 50 rot-grüne Projekte umgesetzt, die SPÖ verpasste sich damit ein jüngeres, frischeres Image.

SPÖ-Thinktank II Die ÖVP verweigerte rot-schwarze Projekte, die SPÖ übernahm allerdings schwarze Ideen wie die 24-Stunden-U-Bahn und vermarktete sie entsprechend.

Leuchtturmprojekte. In Rust präsentierte die SPÖ vor Kurzem zahlreiche neue Ideen für Wien („Leuchtturmprojekte“). Nicht wenige davon entstammen den traditionellen Themengebieten anderer Parteien.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.04.2014)

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