"Problem wurde jahrzehntelang ignoriert"

Chinese immigrants look on as police officers conduct a check at the Shen Wu textile factory in Prato
Chinese immigrants look on as police officers conduct a check at the Shen Wu textile factory in Prato(c) REUTERS (© Stefano Rellandini / Reuters)
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Bürgermeister Roberto Cenni über die verbreitete Illegalität und Businessmodelle für Prato.

Im Dezember sind sieben chinesische Arbeiter in einer Fabrik verbrannt. Wie kann so etwas mitten in Europa passieren?

Roberto Cenni: Es könnte jederzeit wieder passieren. Das Problem wurde jahrzehntelang ignoriert. Hätten vor 20 Jahren die damaligen – linken – Stadtregierungen mit derselben Intensität agiert wie wir, hätten wir heute keine illegalen Firmen hier. Jetzt gibt es Tausende Unternehmen, wir schaffen allerhöchstens 350 Kontrollen im Jahr.

Das System funktioniert auch, weil Teile der italienischen Bevölkerung daran verdienen.

Natürlich profitieren viele. Anfangs nutzten einige Unternehmer die billigen Arbeitskräfte, heute vermieten sie ihnen die Industriehallen. Die Steuerberater der Chinesen sind Italiener. Luxus-Autohändler verdienen gut. Insgesamt sind diese chinesischen Firmen aber eine Last für den Steuerzahler: Um nicht identifiziert und lokalisiert zu werden, entsorgen Chinesen zum Beispiel ihren Müll selbst, meist deponieren sie ihn außerhalb der Stadt. 20.000 Tonnen Müll chinesischer Pronto-Moda-Firmen mussten wir 2013 entsorgen, das kostet Millionen. Außerdem gehen Milliarden an Steuern verloren. Die meisten Chinesen arbeiten ja schwarz.

Wie viele Italiener auch.

So ein abscheuliches System hat es bei uns nie gegeben.

Funktioniert der Dialog mit den Chinesen?

2009, als ich mein Amt antrat und die Kontrollen intensivierte, sprach die chinesische Botschaft von „Nazi-Methoden“. Später hat die chinesische Vertretung „kulturelle Mediatoren“ geschickt. Die hätten banale Probleme lösen sollen – etwa jenes des Mülls oder der gefährlichen Gasflaschen, die sie zum Kochen benützen. Es wurde viel geredet. Und alles blieb beim Alten.

Die Chinesen sprechen von Hexenjagd.

Nun, die Hexen gibt es.

Haben chinesische Firmen in Prato Zukunft?

Diese Unternehmen sind erfolgreich, weil sie dank der Illegalität billig produzieren und verkaufen. Wären sie legal, müssten sie schließen, wie viele italienische Firmen auch. Die Chinesen haben deshalb gar kein Interesse daran, etwas zu ändern. Ideal wären freilich Synergien zwischen Chinesen und Italienern auf einer legalen Ebene: etwa durch die Herstellung von Kleidern aus lokalen Textilien. Man könnte so eine höhere Qualität schaffen, die aber gleichzeitig konkurrenzfähig ist.

Sie besaßen eine Kleiderfirma mit Geschäften auf der ganzen Welt. Hat ihr Unternehmen niemals von Chinesen in Prato produzieren lassen?

Vielleicht mal 300 Daunenjacken, einige T-Shirts. Aber das war marginal.

Steckbrief

Roberto Cenni
(56) ist seit 2009 Bürgermeister von Prato. Der Textil-Unternehmer wird von Silvio Berlusconis Partei Forza Italia unterstützt. Im Mai finden Bürgermeisterwahlen statt, Cenni hofft mit einem harten Kurs gegen chinesische Firmen zu punkten. Comune di Prato

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.04.2014)

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