Fackel der Hoffnung für Ruanda

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20 Jahre nach dem Massaker verordnet Präsident Paul Kagame seinem Volk die Versöhnung. Erneut entzündet sich ein Konflikt mit Frankreich über Auslöser des Völkermords.

Landauf, landab, über tausende sattgrüne Hügel Ruandas trugen sie in 100 Tagen die Fackel der Hoffnung bis in die Winkeln des Zwergstaats im Herzen Ostafrikas. Beim heutigen Gedenkakt an den Genozid vor 20 Jahren im Stadion von Kigali soll ihre Flamme an die mehr als 800.000 Opfer des Völkermords erinnern, zugleich aber auch eine Botschaft der Versöhnung aussenden – ganz im Sinne des Präsidenten Paul Kagame und seines staatspolitischen Credos: „Es gibt keine Hutu und Tutsi, es gibt nur Ruander.“

Es wäre indessen nicht Kagame, der Asket mit den autoritären Zügen, hätte er nicht im Vorfeld der Zeremonien einen Konflikt mit den einstigen Kolonialstaaten Belgien und Frankreich vom Zaun gebrochen. Er bezichtigte insbesondere Frankreich der Mitverantwortung für die Massaker – unter Präsident François Mitterrand galt die Regierung in Paris als Patron des Hutu-Regimes. Sowohl Paris wie Brüssel luden Schuld auf sich, weil sie ihre Truppen angesichts des großen Abschlachtens abzogen – und, wie der Rest der Welt, untätig zusahen. Frankreich reagierte brüskiert, die Justizministerin sagte ihre Teilnahme an den Gedenkfeiern ab.

Fanal für Blutbad

Gleichzeitig erhob Frankreich Vorwürfe, wonach Kagame womöglich selbst den Abschuss des Präsidentenflugzeuges in jenen Abendstunden des 6. April 1994 angeordnet haben soll, der das Fanal war für das folgende Blutbad. Diese Gerüchte wollten nie verstummen. Hintergrund des Manövers: Nur so konnte der Armeechef, Angehöriger des Tutsi-Minderheit, mit seinen aus Uganda operierenden Truppen in Ruanda an die Macht kommen. Kagame weist derlei Unterstellungen indes stets kategorisch zurück.

Geklärt ist der Anschlag auf die Präsidentenmaschine – mit den Staatschefs Ruandas und Burundis an Bord – durch eine Rakete im Landeanflug auf Kigali bis heute nicht. Unbestritten ist, dass danach ein von langer Hand geplantes Komplott der Hutu-Miliz Interahamwe gegen die Tutsi einsetzte. Sie hatten zuvor Waffendepots angelegt, es kursierten überdies Todeslisten – entsprechende Warnungen des kanadischen UN-Kommandeurs Romeo Dallaire verhallten.

Mit Macheten, Äxten und Schlagstöcken gingen die Hutus vor, angefeuert von Parolen des Radiosenders Mille Colline gegen die „Kakerlaken“: „Tötet sie alle, damit niemand erzählen kann.“ Flüsse und Seen färbten sich rot, das Land war übersät von verstümmelten Leichen und abgehackten Gliedmaßen – die Kirchen von Ntarama und Nyamata erzählen als Gedenkstätten von dem Grauen, dem erst Kagame ein Ende setzte.

20 Jahre später hat der Präsident aus Ruanda ein Modell der Entwicklungshilfe, des Umweltschutzes und der Gesundheitsversorgung gemacht, mit Wachstumsraten von mehr als sieben Prozent, mit Frauenquoten von um die 50 Prozent im Parlament – kurzum ein selbst proklamiertes „Singapur“ Afrikas mit sauberen Straßen und einem Plastiksackerl-Bann.

Doch der 56-jährige Mastermind, ein autokratischer Modernisierer, scheidet die Geister. Sein langer Arm reicht bis nach Südafrika, wo er mutmaßlich Oppositionelle und Ex-Mitstreiter verfolgen lässt, und erst recht in den Kongo, wo er die M23-Milizen im Bürgerkrieg unterstützte. Nach einem UN-Bericht, der die Rolle Ruandas im Kongo kritisch beleuchtet hatte, entzog der Westen seinem Vorzeigepolitiker in der Region einen Teil der Militärhilfe. Sein Regime setzt auf Repression – und er selbst vielleicht auf eine dritte Amtszeit im Jahr 2017, wofür er allerdings die Verfassung aushebeln müsste.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.04.2014)

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