Asien statt Wien: Bei Knowles verlieren 283 ihren Job

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"Die Presse" exklusiv: Seit Jahrzehnten produziert Knowles Electronics am Wienerberg Handy-Lautsprecher für die Großen der Branche. Jetzt wird die Produktion nach Asien verlegt.

Wien. Das Wiener Unternehmen galt bisher immer als Beweis dafür, dass Handys nicht ausschließlich in Fernost produziert werden müssen: Die Knowles Electronics Austria GmbH hat sich seit dem Jahr 1990 auf den Telekommarkt spezialisiert und im Jahr 1998 sogar die Marktführerschaft bei Handy-Lautsprechern übernommen.

Doch jetzt hat die Realität das Unternehmen mit Sitz am Wienerberg eingeholt: Die Produktion wandert bis Mitte des Jahres nach Asien ab. Wie das Unternehmen gestern der „Presse" bestätigte, werden dadurch 283 Mitarbeiter ihren Arbeitsplatz verlieren. Um soziale Härtefälle abzufedern, sei gemeinsam mit dem Betriebsrat ein Sozialplan ausgearbeitet worden. Das verbleibende Team - rund 60 Mitarbeiter - werde künftig Zukunftstechnologien für Lautsprecher, Integrated Audio Solutions und Produktionskonzepte für die Standorte in Asien entwickeln.

Einstiger Vorzeigebetrieb

Knowles war in den vergangenen Jahren ein echtes Vorzeigeunternehmen gewesen - weltweit: Es konzeptionierte und produzierte kleine Handy-Lautsprecher für die gesamte Top-10 der Handybranche. Am Wienerberg lief die Produktion - vollautomatische Hochgeschwindigkeitsfertigung - rund um die Uhr im Schichtbetrieb. Produziert werden Receiver, die bei gewöhnlichen Telefongesprächen an das Ohr gehalten werden, sowie Speaker, die meist an der Rückseite des Handys sitzen und für Klingelton und Freisprecheinrichtung zuständig sind. Erst im vergangenen Jahr wurde stolz berichtet, dass in Wien zwölf verschiedene Produktlinien produziert werden. Pro Linie kamen aus dem Werk im Jahr rund 40 Millionen Lautsprecher.

Was damals verständlicherweise noch nicht kommuniziert wurde: Zu der Zeit hatte das Wiener Parade-Unternehmen bereits enorme wirtschaftliche Probleme. Wie aus dem Unternehmen verlautet, gab es in den vergangenen beiden Jahren schon negative Geschäftsergebnisse. Da sich die Produktlebenszyklen für Handys stark verkürzt haben - größtenteils auf unter ein Jahr - seien die Produktionsvolumina pro Lautsprechertypus stark zurückgegangen. Dadurch musste ein „in der Vergangenheit sehr erfolgreiches Hochvolumenfertigungskonzept" adaptiert werden.
Hinzu kam noch ein quasi hausgemachtes, ein österreichisches Problem: „In Wien sind aufgrund des im internationalen Vergleich hohen Lohnniveaus nur vollautomatische, investitionsintensive Produktionslinien mit relativ niedrigem Personalbedarf rechtfertigbar", heißt es in einer Erklärung des Unternehmens.

Asien ist flexibler

Diese Linien seien allerdings nicht geeignet für kurze Produktzyklen mit niedrigeren Produktvolumina. Es sei auch nicht die notwendige Flexibilität für rasche Umstellungen von einem Produkttypus auf einen anderen vorhanden. Flexiblere Fertigungskonzepte könnten aber nur in Asien wirtschaftlich betrieben werden.
Knowles Electronics spricht in einem Statement, das der „Presse" gestern übermittelt wurde, im Zusammenhang mit der Abwanderung von einer „schweren Entscheidung". Aber: „Um ein Business nachhaltig zu führen, ist es essenziell, auch konkurrenzfähig zu bleiben". In den vergangenen zwei Jahren mit „kontinuierlichen finanziellen Verlusten" sei der Druck, Kosten einzusparen, enorm geworden.

Das Unternehmen hat jedenfalls eine lange Geschichte in Österreich: Sein Grundstein wurde im Jahr 1929 gelegt - damals noch als Einheit des Philips-Konzerns. Im Jahre 2011 wurde die damalige „Sound Solutions" vom US-amerikanischen Konzern Knowles übernommen.

(Die Presse. Printausgabe vom 8.4.2014)

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