Die Legende von den "Nazi-Waschbären"

Waschbären in Deutschland.
Waschbären in Deutschland.(c) Imago
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NS-Größe Hermann Göring persönlich soll vor 80 Jahren die Ansiedlung von Waschbären in Europa befohlen haben. Klingt gut, stimmt aber nicht.

Die Waschbären und die Nazis - es ist eine Legende, die vor allem britische Medien lieben: "Adolf Hitler konnte Europa nicht erobern, aber seine Nazi-Waschbären haben es geschafft", schrieb das britische Boulevard-Blatt "Daily Record" 2009. Und sogar die ehrwürdige "Times" berichtete vor Jahren von der "Invasion der Nazi-Waschbären". Seit Jahren sehen sich die britischen Blätter von den stets vermehrenden Waschbären bedroht. Vom "pelzigen Blitzkrieg" und "Nazi-Waschbären auf dem Kriegspfad" ist daher zu lesen, wenn es um die Verbreitung der Tiere in Frankreich und Belgien geht.

Warum "Nazi Racoons"? Angeblich befahl die NS-Größe Hermann Göring persönlich am 12. April 1934 die Ansiedlung von zwei Paaren Waschbären am nordhessischen Edersee, um die Tiere jagen zu können. Das liest man sogar in diverser Fachliteratur bis heute so.

Viele Tiere stammen von den zwei Paaren ab

Diese Nazi-Legende stimmt aber nicht. Was stimmt: Viele mitteleuropäische Waschbären stammen von diesen beiden im April 1934 in die Wildnis entlassenen Paaren ab. Diese fanden rasch perfekte Bedingungen vor - viel Wald, Wasser und Nahrung. Nach dem Zweiten Weltkrieg lebten ein paar Dutzend Waschbären in Deutschland, heute sollen es zwischen 500.000 und einer Million Tiere sein.

Der Waschbär (Procyon lotor)

Der ursprünglich in Nordamerika beheimatete Waschbär ist einer der in Europa erfolgreichsten "Neozoon" - also eine Tierart, die sich durch menschlichen Einfluss in einem Gebiet durchgesetzt hat, in dem sie zuvor nicht heimisch war.

Andere europäische Waschbärpopulationen (z.b. auch in den Niederlanden, Belgien und Frankreich) gehen auf Tiere zurück, die aus Pelztierfarmen und Gehegen entkommen sind oder ebenfalls ausgesetzt wurden.

Göring, damals Reichsforst- und Reichsjägermeister, ordnete aber nie persönlich das Aussetzen der Tiere an. Tatsächlich wurde auf Betreiben von Pelzhändler Rolf Haag Anfang 1934 zwar ein entsprechender Antrag an das Regierungspräsidium in Kassel gestellt, das diesen dann an den zuständigen Landesjägermeister weiterreichte. Dann gab es allerdings Widerstand von den in Tierfragen wichtigsten Köpfen im NS-Staat. Carl Hagenbeck, ein Tierforscher aus einer Hamburger Zoodynastie, verwies auf einen in seinem Garten entkommenen Waschbären: "Er hatte sechs Junge zu ernähren und stahl mir täglich mehrere Enten, Meerschweinchen und dergleichen".

Tiere ohne Erlaubnis ausgesetzt

Schließlich wurden laut "Welt"-Bericht wochenlang Akten gewälzt. Noch ehe die zuständige Jagdbehörde die Erlaubnis am 28. April 1934 erteilte, waren die Tiere bereits ohne Genehmigung von den Forstleuten einfach ausgesetzt worden - zumal die beiden Weibchen trächtig waren und deren Jungen in Freiheit geboren werden sollten. "Hermann Göring war zwar der oberste Chef, aber von all dem hat er mit ziemlicher Sicherheit nichts mitbekommen", sagt Eberhard Leicht vom Landesbetrieb Hessen-Forst, in dem vor Jahrzehnten die ersten Tiere ausgesetzt wurden.

>>> Zum "Daily Record"-Artikel

>>> Zum "Times"-Artikel

>>> Zum "Welt"-Artikel

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