Nach dem EU-Urteil gegen die Vorratsdatenspeicherung ist in Österreich wieder der Verfassungsgerichtshof am Zug. Experte sieht wenig Spielraum.
Wien. An der Aufhebung der Vorratsdatenspeicherung auch in Österreich führt kein Weg vorbei. Diese Meinung vertritt Christof Tschohl, Mastermind jener Beschwerde vor dem Verfassungsgerichtshof (VfGH), die zur Einschaltung des EU-Gerichtshofs geführt hat. Tschohl ist mit der Materie bestens vertraut: Er hat im Auftrag des Infrastrukturministeriums an der Umsetzung der einschlägigen EU-Richtlinie im Telekommunikationsgesetz mitgewirkt (für das Boltzmann-Institut für Menschenrechte). Und zwar von Anfang an mit dem Hinweis, dass die Kernfrage der Vereinbarkeit mit den Grundrechten noch von den Höchstgerichten zu klären sein würde.
Nachdem der EuGH die Richtlinie nun als überschießend aufgehoben hat, ist in Österreich wieder der Verfassungsgerichtshof am Zug. Er muss prüfen, wie sich die österreichische Umsetzung der Richtlinie mit den Grundrechten verträgt. Der Gesetzgeber hat sich damals für eine Minimalvariante entschlossen und beispielsweise von vornherein eine Speicherung nur für einen Zeitraum von sechs Monaten vorgeschrieben. Allerdings geht aus dem EuGH-Urteil hervor, dass selbst diese sechs Monate zu lang sein können.
Genaue Liste von Straftaten
Tschohl sieht schon aus einem formalen Grund keinen Spielraum für den VfGH: Der EuGH habe das Verbot einer Speicherung außerhalb der EU als eine Conditio sine qua non, eine notwendige Bedingung, jeder Vorratsdatenspeicherung gesehen. Ein solches Verbot fehlt aber in Österreich: „Ich glaube, dass der Verfassungsgerichtshof die Regelung schon allein aus diesem Grund aufheben muss.“
Darüber hinaus müsste im Licht des EuGH-Urteils das heimische Recht auch eine genaue Liste von Straftaten enthalten, derentwegen Vorratsdaten gespeichert und von der Behörde abgefragt werden dürften. Die Strafprozessordnung spricht allgemein nur von Straftaten mit einer Strafdrohung von mehr als einem Jahr; bei den besonders gefragten Daten, den „IP Logs“ (Name, Anschrift des Nutzers eines Rechners), ist überhaupt nur von „einer Straftat“ die Rede.
Laut Tschohl muss bei einer Neuregelung jedenfalls das nachgeliefert werden, was die EU von Anfang an schuldig geblieben sei: objektiviertes Material, mit dem nachgewiesen wird, warum und zur Aufklärung welcher Straftaten die Vorratsdatenspeicherung im Einzelnen benötigt wird. Über das EuGH-Urteil zeigten sich in Österreich allen voran die Grünen, aber auch FPÖ, Neos und SPÖ erfreut. Innen- und Justizministerium reagierten zurückhaltender. (kom)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.04.2014)