Athen: Comeback auf Kapitalmarkt

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Donnerstag will das strauchelnde Euroland erstmals seit 2010 langjährige Anleihen auf dem Kapitalmarkt begeben. Die Regierung strebt eine Rendite von 5,5 Prozent an.

Athen/Wien. Am heutigen Donnerstag soll es so weit sein – schneller, als die meisten erwartet hätten: Erstmals seit Ausbruch der Schuldenkrise vor mehr als vier Jahren wagt sich Griechenland wieder mit einer Anleihe an den Kapitalmarkt. Internationale Banken seien mit der Platzierung des Papiers mit fünfjähriger Laufzeit beauftragt worden, teilte das Finanzministerium in Athen am gestrigen Mittwoch mit. Dort protestierten erneut tausende Menschen gegen den Sparkurs, den die Regierung mit EU und Internationalem Währungsfonds (IWF) im Gegenzug für milliardenschwere Hilfen vereinbart hatte.

„Wir streben Einnahmen von bis zu 2,5 Milliarden Euro an“, sagte ein Regierungsmitarbeiter der Nachrichtenagentur Reuters zu dem Bond-Comeback. Das Interesse der Anleger an dem Papier sei sehr groß. Investoren zufolge lotet die Regierung eine Rendite von 5,25 bis 5,5 Prozent aus. Andere Marktteilnehmer sprachen davon, Athen strebe sogar eine Rendite von weniger als fünf Prozent an. Der Marktzins für griechische Staatsanleihen mit zehnjähriger Laufzeit rutschte nach Bekanntwerden der Pläne unter sechs Prozent, zum ersten Mal seit gut vier Jahren. 2012 – als private Anleger bei einem Schuldenschnitt 130 Milliarden Euro verloren – waren es rund 40 Prozent. „Noch vor einem Jahr war es undenkbar, dass Griechenland den Kapitalmarkt anzapft“, sagte Analyst Alessandro Giansanti von der Großbank ING. „Jetzt ist es Realität.“

Griechenland hat sich zuletzt im März 2010 an den Bondmarkt gewagt – damals ebenfalls mit einer fünfjährigen Anleihe. Um seinen Finanzbedarf zu decken, ist das Land seither auf Hilfen des IWF und seiner Europartner angewiesen. Daher ist derzeit privates Geld vom Kapitalmarkt kein Muss. Die Regierung will aber das Interesse der Anleger testen, bevor sich der Staat wieder vollständig über den Markt refinanziert.

Landesweiter Streik

Griechenland profitiert davon, dass Anleger im Zuge der strafferen US-Geldpolitik Geld im großen Stil aus Schwellenländern abziehen. Allein Russland verlor im ersten Quartal mehr als 50 Milliarden Dollar. Da Anleihen mit erstklassiger Bonität – wie etwa von Deutschland – nur sehr niedrige Zinsen abwerfen, haben Investoren die Eurokrisenländer wiederentdeckt – zumal diese auch konjunkturell Fortschritte machen. So wuchs die griechische Produktion im Februar mit 1,7 Prozent bereits den dritten Monat in Folge. Einen so langen Aufwärtstrend gab es seit 2007 nicht mehr. Auch der erfolgreiche Umbau des Bankensystems bahne den Weg zu einer erfolgreichen Rückkehr an den Kapitalmarkt, sagte Zentralbank-Chef Giorgos Provopoulos der Agentur Bloomberg.

Allerdings bleibt die wirtschaftliche Lage vieler Griechen schwierig. Mit einem landesweiten Streik stemmten sich am gestrigen Mittwoch viele Arbeitnehmer gegen das harte Sparprogramm. Schulen und Apotheken blieben geschlossen, Schiffe in den Häfen. In Athen kam der Nahverkehr zum Erliegen. In den Krankenhäusern gab es nur eine Notbesetzung. „Wir streiken und kämpfen, um die Sparmaßnahmen zu beenden“, erklärte die Gewerkschaft GSEE.

Der Streik richte sich auch gegen Merkel, die von Ministerpräsident Antonis Samaras am morgigen Freitag empfangen wird. Mehr als 20.000 Menschen zogen friedlich durch Athen. „EU, IWF – nehmt die Hilfen und verschwindet von hier“, riefen sie. Griechenland wird seit 2010 mit zwei Hilfspaketen über 240 Milliarden Euro über Wasser gehalten.

Vom unmittelbar bevorstehenden Bond-Comeback Griechenlands profitierten auch italienische und spanische Anleihen, deren Renditen im zehnjährigen Bereich weiter nachgaben. So rentierten die Staatspapiere aus Rom mit 3,19 Prozent etwas niedriger als am Dienstagabend. Die Rendite des spanischen Pendants lag bei 3,19 nach 3,21 Prozent am Vorabend. Auch die griechischen Papiere waren gefragt. (Reuters)

AUF EINEN BLICK

Griechenland wird Insidern zufolge
am heutigen Donnerstag erstmals seit mehr als vier Jahren wieder den Kapitalmarkt anzapfen. „Wir streben Ein-nahmen von bis zu 2,5 Milliarden Euro an“, sagte ein ranghoher Regierungsmitarbeiter des Finanzministeriums am Mittwoch der Nachrichtenagentur Reuters. Das Geld solle durch die Versteigerung einer fünfjährigen Staatsanleihe in die Kassen fließen. Das Interesse der Anleger an dem Papier sei sehr groß. Marktteilnehmern zufolge peilt die Regierung in Athen eine Rendite von bis zu 5,5 Prozent an.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.04.2014)

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