Janukowitschs österreichischer Nachlass

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Dokumente des gestürzten Regimes zeigen, wie oberflächlich die Staatsanwaltschaft Wien gegen Günstlinge des Ex-Präsidenten Viktor Janukowitsch ermittelt hat.

Kiew. Das Regime von Viktor Janukowitsch hat nicht nur einen politischen wie wirtschaftlichen Scherbenhaufen, sondern auch zahlreiche Korruptionsaffären hinterlassen. Neben der Kiewer Generalstaatsanwaltschaft sind es insbesondere Journalisten, die sich mit den großen Wirtschaftskriminalfällen der vergangenen Jahre beschäftigen.

Der umfangreiche „Nachlass“ von Janukowitsch und Co. tangiert auch Österreich mehrfach. So finden sich in jenen 200 Dokumentenmappen, die Taucher am 22. Februar aus einem Teich in Janukowitschs Luxusanwesen Meschyhirja geborgen haben und die Journalisten nunmehr auf http://yanukovychleaks.org publizieren, große Teile der Buchhaltung von Tantalit. Diese ukrainische Gesellschaft mit beschränkter Haftung, der ein Großteil des Janukowitsch-Anwesens gehörte, war zwischen 2007 und 2011 zu mehr als 99 Prozent im Besitz der Euro East Beteiligungs GmbH in Wien-Margarethen gestanden. Die nunmehr gefundenen Tantalit-Dokumente zeigen, dass sich in die Causa involvierte Österreicher weitgehend im Hintergrund gehalten hatten: Der österreichische Investmentbanker und Euro-East-Direktor Johann Wanovits, der 2013 in Wien wegen Telekom-Kursmanipulationen (nicht rechtskräftig) zu fünf Jahren Haft verurteilt wurde, hatte in Bezug auf Meschyhirja seine Vollmachten etwa weitgehend an eine ukrainische Juristin delegiert.

Als brisanter erweist sich ein der „Presse“ vorliegendes Schreiben der Staatsanwaltschaft Wien, das sich auf österreichische Korruptionsermittlungen gegen Janukowitsch-Intimus Andrij Kljujew bezieht. Dieses Dokument, so erzählt der Vizechefredakteur der „Ukrainska Prawda“, Serhij Leschtschenko, war Ende Februar 2014 im prunkvoll ausgestatteten Wohnhaus des Ex-Generalstaatsanwalts Viktor Pschonka gefunden worden. Pschonka, der mittlerweile aus der Ukraine geflohen ist, hatte als eine der wichtigsten Säulen von Janukowitschs Regime gegolten.

Aus dem Fundus von Pschonka

Kurz nach dem Umbruch in Kiew hatten Medienvertreter auf abenteuerliche Weise Zugriff auf das Privatarchiv Pschonkas bekommen: Nachdem Aktivisten des berüchtigten „Rechten Sektors“ das Haus des Generalstaatsanwalts in Beschlag genommen hatten, gaben sie interessierten Journalisten stundenlang Zeit, einen Teil von Pschonkas Akten abzufotografieren. Darunter war auch ein Schreiben der Staatsanwaltschaft Wien. Diese hatte zwischen April 2012 und August 2013 unter der Aktenzahl 615 St 3/12x gegen den damaligen Sekretär des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrates der Ukraine, Andrij Kljujew, ermittelt. Die Vorwürfe bezogen sich auf ukrainische Subventionsvergaben an die Activ Solar GmbH im Jahr 2010. Diese Wiener Gesellschaft, die sich mit der Errichtung von Solaranlagen in der Ukraine beschäftigt, war bis Oktober 2008 mittelbar im Besitz von Andrij Kljujew und dessen Bruder Serhij, einem Geschäftsmann und Parlamentarier, gestanden.

Seit damals wird die Firma formal von einer liechtensteinischen Treuhandgesellschaft kontrolliert – laut unüberprüfbaren Angaben von Activ Solar GmbH selbst verstecken sich dahinter Investoren aus der EU sowie das Management. Ukrainische NGOs bezweifelten diese Darstellung und mutmaßten, dass diese Gesellschaft weiterhin Andrij und Serhij Kljujew zuzurechnen ist. Bei Kaveh Ertefai, dem Geschäftsführer der Activ Solar GmbH, handelt es sich um den Schwiegersohn von Serhij Kljujew.

Das im Haus des Ex-Generalstaatsanwalts gefundene Dokument wirft Fragen zur Qualität der Ermittlungen in Österreich auf. Es handelt sich, so bestätigt die Sprecherin der Staatsanwaltschaft Wien, um das einzige Rechtshilfeersuchen, das in diesem Fall an die ukrainische Behörde geschickt worden war. Staatsanwältin Heike-Karin Heckl schildert in dem Papier zunächst die Vorwürfe gegen Kljujew und verkündet, dass die Ermittlungen in Bezug auf Korruptionsvorwürfe eingestellt worden seien, da österreichische Gerichte dafür nicht zuständig seien, und für Geldwäsche nötige Beweise fehlten. Schließlich ersucht Heckl um konkrete Rechtshilfe: Die ukrainischen Justizbehörden mögen eine „zustellungsfähige Adresse“ von Andrij Kljujew bekannt geben, um ihn über die Ermittlungseinstellungen in Kenntnis zu setzen. Ein Versuch, den seinerzeit als Beschuldigten geführten Kljujew zu vernehmen, war zuvor sichtlich unterblieben.

Recherchen der „Presse“ zeigen, dass weitere Schlüsselfiguren in dieser Causa nie von österreichischen Behörden befragt wurden. Der Brief nach Kiew legt nahe, dass die Staatsanwaltschaft Wien in ihrem Ermittlungsverfahren praktisch nichts herausgefunden hat. Sie konnte oder wollte etwa nicht einmal die relevante Frage klären, wer nun die tatsächlichen Eigentümer der Activ Solar GmbH sind.

Illegale Gelder in Österreich

Nach dem Umbruch in Kiew dürfte sich die Zusammenarbeit der Ermittlungsbehörden verbessert haben. Zuletzt traf sich Oleksij Bahanez, der Vize-Generalstaatsanwalt der Ukraine, mit Österreichs Botschafter in Kiew, Wolf-Dieter Heim. Anschließend erklärte die ukrainische Generalstaatsanwaltschaft, Österreich habe als erster Staat auf ukrainische Forderungen reagiert, illegal ins Ausland transferierte Gelder auszuforschen und zu retournieren. Weder im Kiewer noch im Wiener Außenamt wollte man die Frage beantworten, auf wessen und welche Gelder sich diese österreichische Bereitschaft nun beziehe.

Als wahrscheinlich darf jedoch gelten, dass neben dem Wien-affinen Parlamentarier Oleksij Asarow, dem Sohn des ehemaligen Premierministers Mykola Asarow, auch die Brüder Kljujew gemeint sein könnten: Andrij Kljujew, gegen den zuvor in Wien ergebnislos ermittelt worden war, steht auf der Sanktionsliste der EU.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.04.2014)

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