Es wird ein Porsche sein, und wir werden nicht mehr sein – so in etwa lautet das Motto der Fahrzeugsammlung des Stuttgarter Porsche-Museums. Dabei ist weniger „Komplettrestaurierung“ als Empathie gefragt: Autos wollen gelesen werden.
Alte Autos, ein Sinnbild für Vergänglichkeit. Auch für die eigene. Denn einst waren sie neu, rollten vom Fließband in die Welt hinaus, zumindest auf den Werkshof; der Lack makellos glänzend, das Getriebe noch ungerührt, das Motoröl extra vergine.
So wurden sie zum Händler transportiert und ihren Besitzern übergeben. Glänzende Augen, war ja eine Stange Geld dafür zu hinterlegen – hoffentlich die richtige Entscheidung! Behutsame erste Kilometer. Zu Beginn der Eignerschaft abends noch der Blick aus dem Fenster: Ob das Auto unten eh gut steht. Und immer noch gut aussieht.
Dann Gebrauch und Routine, Verschleiß und vielleicht auch Defekte; sicher aber Kratzer, Dellen und Reparaturen. Zweit-, Dritt- und Viertbesitz. Bis es sich irgendwann, zigtausend Kilometer sind abgespult, nicht mehr lohnt und die letzte Fahrt ansteht. Die Schrottpresse macht aus einem Auto, in dem man noch zu fünft mit Gepäck in den Urlaub gereist ist, ein Paket von der Größe eines Reisekoffers. Und ab zum Einschmelzen damit. Dafür werden Autos gebaut, es hat einen Anfang und ein Ende, so wie beim Menschen auch.
Aus dem Verkehr. Als Fahrzeug ist man mit Jahrgang 1970 längst aus dem Verkehr gezogen, lebt im besten Fall als recyceltes Blech oder Plastikgranulat in einem neueren Fabrikat fort. Anders mit diesem Exemplar, in dem wir gerade Platz genommen haben und am Zündschlüssel drehen: ein Porsche 911 S Targa, Baujahr 1970. Es steht (und fährt) exemplarisch für jene winzige Gruppe von Fahrzeugen auf der ganzen Welt, die vom Gebrauchsgegenstand zum Kulturgut erhoben wurden. Und die Vermutung liegt nahe: Autos wie dieses werden uns alle, die wir es heute betrachten, bewundern und im schönsten Fall ausführen dürfen, überleben.
Genau das ist der Job von Alexander Klein, 46, der bei Porsche in Stuttgart die Fahrzeugsammlung leitet. Die besteht aus rund 700 Exemplaren; alles höchst unterschiedliche blecherne Persönlichkeiten, jede mit ihrer eigenen Biografie, die nicht immer lückenlos vorliegt und von Klein und seinem Team in jedem Fall einzeln beleuchtet wird, als wären Detektive am Werk. Was nicht allzu weit hergeholt ist: Von „Forensik“ ist öfters die Rede.
Anno dazumal. Es gehe um den „Erhalt unserer Kultur“, sagt Klein, und es gibt vermutlich keine andere Marke, die ihre Geschichte ähnlich hingebungsvoll – und auch finanziell aufwendig – pflegt wie Porsche. Denn, so Frank Jung, der Historiker im Haus: „Die Marke ist das Ergebnis der Vergangenheit.“ Sammlungschef Klein ergänzt: „Bei der historischen Öffentlichkeitsarbeit sind wir Weltmarktführer.“
Wenn wir‘s also richtig verstanden haben: Ohne Vergangenheit wäre auch ein Porsche – schnell, schön, teuer, das alles schon – nur ein Auto. Und das soll, das kann gemäß Stuttgarter Selbstverständnis nicht sein. Nicht zuletzt deshalb, weil ein Porsche dann auch nicht so viel mehr kosten dürfte als ein anderes Auto, das einen weniger prächtigen Stammbaum vorzuweisen hat.
Die Autos, um die es hier geht, verbringen denn auch nur den kleineren Teil ihrer Existenz, dem eigentlichen Zweck entsprechend, auf der Straße. „Die längere Zeit wird das Auto bei uns stehen“, sagt Klein, „und für die Nachwelt erhalten werden.“ Mit einem Endlager hat das allerdings nichts zu tun, eher ist das Gegenteil der Fall: In der Sammlung herrscht ein beständiges Kommen und Gehen, mit Tausenden Fahrzeugbewegungen im Jahr, einerseits im Austausch mit der Ausstellung im nahen Museum, andererseits, um zu jedem geeigneten Anlass, zu jedem Jubiläum das passende Stück eben doch wieder auf der Straße zu haben, als „Markenbotschafter“ und Referenzobjekt gern auch in China, Tasmanien, Japan, Südafrika oder in den USA. Oder in der deutschen Pfalz, in der es bewegt wird wie anno dazumal, so wie der blaue Targa, mit dem wir uns das Geburtsjahr teilen.
Ein Auto „lesen“. Wie genau man das bei Porsche in Stuttgart tut, muss man sich zunächst einmal mehr als akademische denn als handwerkliche Arbeit vorstellen. Die Ansichten darüber, wie man heute restauriert – und auch ob –, haben sich fundamental gewandelt. Die „Komplettrestaurierung“ ist jedenfalls out. „Empathie“ ist angesagt.
Zuerst müsse man ein Auto einmal „lesen“, so Klein: „Was will uns das Auto sagen?“ Darauf gebe es einfache und weniger einfache Antworten. Eine einfache gab zum Beispiel unser blauer 1970er-Targa, ein 911er der ersten, der F-Serie in S-Ausführung: 2,2 Liter Hubraum, 180 PS. Er kam als Akquisition ins Haus, durchaus üblich, wenn der eigene Bestand Lücken hat; mit der Karosserie und dem Lack in einem schlechten Zustand, dem Innenraum aber in verhältnismäßig gutem. So beließ man die Lederbezüge mit ihren Gebrauchsspuren aus mehreren Jahrzehnten, setzte die Mechanik instand und erneuerte die Lackierung, um den originalen Glanz wiederherzustellen.
Das Modell ist historisch bedeutend: Targa bezeichnet die Mischung aus Coupé und Cabrio, eine fünf Jahre zuvor in der Not geborene Porsche-Erfindung, um verschärften Sicherheitsvorschriften in den USA zu entsprechen. Der Stahlbügel, der die Insassen bei einem Überschlag schützen soll, wurde als Stilelement herausgestellt, das „Sicherheitscabriolet“ zum flotten Targa, der mit einem Drittel Anteil an der Produktion zum Verkaufserfolg seiner Tage wurde.
Was Besonderes. Keine Antworten, jedenfalls keine schlüssigen, konnten Klein und Sammlungs-Chefmechaniker Kuno Werner von einem anderen Targa erhalten, als der in den Beständen auftauchte. Die Sammlung in heutiger Form ist ja erst wenige Jahre alt, davor hatte es sich mehr um eine „Ansammlung“ gehandelt, so Klein, ein bedeutender Unterschied.
Jedenfalls, bei diesem Targa war Forensik gefragt: ein F-Modell, das zu einem G-Modell (ab 1973) umgebaut worden war, wie man herausfand, kein originaler Motor; Spuren am Fahrzeug ließen vermuten, dass es für „Thermo-Versuche“ verwendet worden war, vermutlich, um sich damals auf die bevorstehende Katalysatorpflicht in den USA vorzubereiten. „Nichts passt zusammen“, sprach Klein zu dem Wagen, „aber du bist was Besonderes. Du darfst so bleiben.“
Das Konzept der „empathischen Restaurierung“ kam auch beim 901 „Nr. 57“ zur Anwendung – wohl das letzte Auto, das 1963 unter dem Namen gebaut wurde. Peugeot hatte ja seine Rechte auf dreistellige Zahlen mit einer Null in der Mitte reklamiert, so kam’s zum Modellnamen 911. Es war in einem erbärmlichen Zustand, doch statt einer Komplettrestaurierung ging man mit größter Behutsamkeit vor, erwog bei jeder einzelnen Schraube: „Tauschen oder behalten?“ Erneuerte nur, was unbedingt notwendig war; selbst dafür opferte man ein anderes Modell aus der Zeit, um am Chassis kaputte Bleche gegen ebenso alte und nicht neue Bleche auszutauschen. Wert, Kosten und Mühen, davon hätte ein privater Besitzer, der an eine Restaurierung geht, ganz andere Vorstellungen.
Auch historische Rennwagen sind Spezialfälle. Man könne ein solches Auto heute nicht mehr in Betrieb setzen, den Motor anwerfen, „ohne es zu zerstören“. Denn dazu müssten Leitungen ausgetauscht werden, Öl, Bremsen, die Elektrik, schon aus Sicherheitsgründen; und der originale Zustand, „so wie das Auto damals ins Ziel gekommen ist“, wäre für immer verloren.
Diese Autos werden in Holzkisten verpackt, in „Zeitkapseln“, und wenn man in 100 Jahren wissen wollte, wie Rennwagen einst funktionierten, wie sie gebaut waren und welche Materialien zum Einsatz kamen, so würde man in ihnen beredte Zeitzeugen vorfinden. Und wir werden der Staub sein, den man von den Kisten wischt.

Gesammelt
700 Fahrzeuge
umfasst die Sammlung, die zum Porsche-Museum gehört. Im Museum sind 95 Fahrzeuge ausgestellt.
5 Mio. Besucher
wurden im Porsche-Museum in Stuttgart-Zuffenhausen seit der Eröffnung 2009 gezählt.