Hausgeschichten: Goldschlagstraße 172

Ein ausgeklügeltes System aus transparenten, transluzenten und opaken Teilen prägt den Bau von Holodeck architects.
Ein ausgeklügeltes System aus transparenten, transluzenten und opaken Teilen prägt den Bau von Holodeck architects.Wolfgang Thaler
  • Drucken

Telegrafen wurden einst angefertigt, wo sich heute neue Werkstätten und Ateliers befinden. Gründerzeitarchitektur mit neuem, großem Dachaufbau mitten im 14. Bezirk.

Wie praktisch früher doch alles angelegt war: In der Erdgeschoßzone wurde verkauft, produziert und gelagert, in den Geschoßen darüber verwaltet und gestaltet, im Hof geladen und entladen. Wenn möglich, wohnte man gleich vor Ort. Die gemischte Nutzung erwies sich in Wien als so erfolgreich, weil sie die Wege zwischen Werkstatt, Lager, Büro und oft auch Wohnung kurz hielt. Dieses Modell wird heute wieder forciert, mit unterschiedlichen Ergebnissen. In dem vor Kurzem fertiggestellten Wirtschaftspark Breitensee jedenfalls nimmt der Mix erfreuliche Formen an.

In der Goldschlagstraße 172 im 14.Wiener Gemeindebezirk breitet sich dieses großes Areal aus, das Passanten vor allem durch den Aufbau auffällt: Vier Geschoße mit leichten Knicken, Vor- und Rücksprüngen (sodass sich Terrassen ergeben) und unterschiedlich großen Fensterflächen haben Holodeck architects auf einen älteren Gewerbebau gesetzt.

Als letzte von drei Ausbauphasen, nachdem sie 2007 den Wettbewerb für das Areal gewonnen hatten, wurde nun ein multifunktioneller Neubau im Innenhof fertiggestellt. „Ein Teil der Objekte stammt aus der Gründerzeit, ein weiterer Teil aus den Sechzigerjahren“, erklärt Architekt Michael Ogertschnig. Heute befindet sich dieser Komplex im Besitz der Wien Holding, und mittlerweile haben sich sehr unterschiedliche Mieter angesiedelt: Kreative, Produktionsbetriebe, Medienunternehmen, ein Fitnessstudio.

Produktiver Geist

Im Innenhof befanden sich ursprünglich ein Schlot und ein Heizhaus, die entfernt wurden, um später einem neuen Hoftrakt und einer Lkw-Schleife Platz zu machen. Die Lücke auf der Rückseite des Breitenseer Areals war bereits durch einen Wohnbau geschlossen worden. Der produktive Geist von einst scheint greifbar in den sanierten wie in den neuen Teilen – die hohen Geschoße und die loftartige Struktur setzen sich bis ganz nach oben fort, die zwischen den Stiegenhäusern liegenden Flächen sind teilbar. „Uns geht es darum, eine flexible Struktur zu schaffen“, sagt Holodeck-Architektin Marlies Breuss. „Früher war hier eine alte Telegrafenfabrik untergebracht. Kein Wählamt, sondern es wurden hier Apparate hergestellt“, erzählt Ogertschnig. Ein origineller Zufall für ihn und Breuss, denn in dem Haus, in dem sich das Büro der Holodeck architects befindet (am Karlsplatz neben dem Café Museum) befand sich eben auch die erste Telefonzentrale.

Mit dem Aufbau hat sich das Flächenangebot hier noch einmal stark vergrößert. Ganz im Sinne der städtischen Nachverdichtung, die Breuss und Ogertschnig ein essenzielles Anliegen ist.

Die Betriebsamkeit des Areals scheint schon auf das Umfeld auszustrahlen, immerhin befindet man sich in interessanter Nachbarschaft mit Sargfabrik und Miss Sargfabrik. So könnte hier eine spannende Mikrolage entstehen, ein kleines Grätzel, zu dessen Belebung die Werkstätten, Büros und Ateliers beitragen. Mit dem komplett verglasten und etwas vorspringenden Café nimmt der Bau ohnehin schon Kontakt nach außen auf. Und die gemischte Mieterstruktur bringt es mit sich, dass hier fast immer Betrieb ist. Rundum die Uhr vielleicht, denn in den neuen Dachgeschoßen sind Maisonetten angelegt, in denen man nicht nur ein Atelier, sondern sich auch wohnlich einrichten kann.

ZUM OBJEKT

Wirtschaftspark Breitensee: mehrere Gebäude, von der Gründerzeit über die Sechzigerjahre bis in die Gegenwart. Architekturwettbewerb 2007, erste Bauphase 2010 (Sanierung Gebäudehof- trakt, neuer Haupteingang mit Lkw-Zufahrt, Café), weiters Errichtung neuer Dachgeschoße. Finalisierung mit Neubau mit Multifunktionen im Innenhof durch Holodeck architects. Gemischte Nutzung für Werkstätten, Büros, Ateliers mit Wohnraum: www.wp-breitensee.at, www.holodeckarchitects.com.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.04.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Wohnen

Garnisongasse: Logieren statt studieren

Die Studenten sind ausgezogen, jetzt wird umgebaut: In der Garnisongasse 3 im neunten Wiener Gemeindebezirk bekommt der Garellihof moderne Büros und Wohnungen.
Wohnen

Denkmal mit laufendem Hund

Hausgeschichte. Ein kleines Barockhaus im Kahlenbergerdorf erfährt eine größere Frischzellenkur. Und das Nebenhaus profitiert von Sockelsanierung und Umbau ebenso.
Wohnen

Häusergeschichten: Kulissen für cineastische Auftritte

Der Österreichische Filmpreis wandert – nicht nur durch das heimische Kinoschaffen, sondern auch von Raum zu Raum. Manchmal in bühnenreifem Ambiente.
Wohnen

Gumpendorfer Wohnhaus: Kastenfenster und Pawlatschen

Denkmalschutz, Laubengänge und ein spiritueller Name: Das Gumpendorfer Wohnhaus „Zum Auge Gottes“ wird von Grund auf saniert.
Wohnen

Die Familie als Nachbar

Vier Familien teilen sich das historische Areal einer Brauerei unweit von Wien. Nach und nach wurden die einzelnen Gebäude saniert und um ein Schwimmbad erweitert.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.