Kira Stachowitsch: "Wir könnten ja unabsichtlich Teil einer ganz ganz hippen Sache sein"

Archivbild Kira Stachowitsch
Archivbild Kira StachowitschTeresa ZÖTL
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Die Wiener Trendconsulterin und Herausgeberin der Mode- und Lifestylemagazine "Indie" und "Material Girl" warnt davor, die neue Strömung nicht mit der immer noch flammenden Nineties-Leidenschaft zu verwechseln.

Der Mass-Indie- oder Hipster-Stil wird nun von der Hardcore Normalität abgelöst, sagt eine New Yorker Trendagentur. Was halten Sie von der neuen Kategorisierung als „Normcore“?

Kira Stachowitsch: Es ist faszinierend, wie Normcore es geschafft hat, gerade überall auf und ab zitiert zu werden. Das liegt vermutlich daran, dass viele Medien darin ein für den Mainstream interessantes und nachvollziehbares Modetrendthema sehen, das mit der Idee spielt, wir alle könnten unabsichtlich Teil einer ganz, ganz hippen Sache sein. Aber da gibt es ein großes Missverständnis: Man kann es Normcore nennen, wenn Kunststudenten in Mom-Jeans, verschnittenen Logoshirts und Werbekappen herumlaufen. Weil es ein bewusstes Zitat ist und ein gewisser Witz, wenn man es so nennen will, dahintersteckt. Das macht den H&M-Durchschnittsträger aber eben – Gott sei dank – noch lange nicht zum Normcore-Anhänger.

Wie lange hält sich so eine Trend-Kategorierisierung?

Normcore funktioniert ob seiner Subtilität anders als andere subkulturell geprägten Modestile nicht als lautes und auffälliges Abgrenzungszeichen der restlichen Gesellschaft gegenüber. Insofern ist nicht anzunehmen, dass er sich in die Herzen und Schränke jener schleicht, die ihre Individualität gern durch Mode ausdrücken. Ich glaube, wir müssen uns also noch keine Sorgen darüber machen, dass die halbe Menschheit in einen Trend hineingeraten ist, von dem sie nichts wusste. Die wenigsten COS-Träger sehen aus wie Bill Gates auf Italien-Urlaub und Omas Strickjacke verwandelt einen sicher auch noch nicht in Jerry Seinfeld. Er und Bill zählen ja zu den sexy Posterboys der Normcore-Bewegung. Wenn man sich fragen muss, ob man unbewusst längst einer Trendströmung angehört, dann ist die Antwort ziemlich sicher: Nein.

Stimmt es, dass sich das „neue Normal“ bereits auf den internationalen Laufstegen zeigt? Setzen Labels wie COS schon länger auf diesen Stil?

Die Normcore-Sichtungen auf den Laufstegen würde ich eher auf die noch immer flammende Nineties-Leidenschaft in der Mode zurückführen. Viele Normcore-Keypieces stammen aus dieser glücklichen Zeit, in der Jeans und weißes T-Shirt „Casual Chic“ genannt wurden und nichts über das richtige Logo, im besten Fall CK, auf der Brust ging.

Was ist überhaupt „normal“ in der Mode?

„Normal“ meint konform. Ein Look für alle, die es bevorzugen, in der grauen Masse unterzutauchen. awa

Steckbrief

Kira Stachowitsch
* 1984 Wien, Journalistin, Model, Trendconsultant und mit Clemens Steinmüller Gründerin der Magazine „Indie“ und „Material Girl“.

Ihre Garderobe umfasse Kleidungsstücke aus diversesten Dekaden und Stilen, somit könne sie „einer Kategorisierung ziemlich sicher noch von der Schippe springen“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.04.2014)

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