Ägypten: 683 Islamisten zum Tode verurteilt

Eine Gruppe inhaftierter Muslimbrüder vor Gericht
Eine Gruppe inhaftierter Muslimbrüder vor Gericht REUTERS
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Unter den Verurteilten ist auch Mohammed Badie, der Chef der Muslimbrüder. Zugleich wurden 492 früher verhängte Todesurteile aufgehoben und teils in lebenslange Haft umgewandelt.

Die ägyptische Justiz hat am Montag erneut Hunderte Anhänger der Muslimbruderschaft zum Tode verurteilt. Unter den 683 Verurteilten ist auch Mohammed Badie, das Oberhaupt der inzwischen verbotenen Organisation. Zudem bestätigte das Gericht in letzter Instanz 37 von 529 früheren Todesurteilen gegen Muslimbrüder. Die übrigen Strafen wurden in lebenslange Haft umgewandelt.

Außerdem verbot ein ägyptisches Gericht die pro-demokratische Gruppe "6. April", die maßgeblich an den Protesten zum Sturz des langjährigen Machthabers Hosni Mubarak Anfang 2011 beteiligt gewesen war. Danach richtete sich ihr Protest jedoch auch gegen den gewählten islamistischen Präsidenten Mohammed Mursi sowie die nach seinem Sturz eingesetzte Militärregierung. Nach Angaben eines Vertreters der Justiz in Kairo wurde das Verbot aufgrund einer Beschwerde ausgesprochen, in welcher der Organisation die Diffamierung des Staates und die Zusammenarbeit mit ausländischen Parteien vorgeworfen wurde.

Von den 683 am Montag Verurteilten befinden sich nur rund 50 in Haft. Die übrigen wurden entweder gegen Kaution freigelassen oder sind auf der Flucht. Die Todesurteile müssen noch vom ägyptischen Mufti, der höchsten religiösen Instanz bestätigt werden. Sein Urteil ist jedoch nicht bindend und kann vom Gericht ignoriert werden.

Die Verurteilten wurden wegen der Teilnahme an gewalttätigen Demonstrationen am 14. August 2013 in Minia schuldig gesprochen. An diesem Tag waren bei einem Einsatz der Sicherheitskräfte gegen Mursi-Anhänger in Kairo rund 700 Demonstranten getötet worden. Nach Angaben des Anwalts Khaled Elkomi dauerte der Prozess am Montag nur zehn Minuten.

Wut und Tränen vor dem Gericht

Vor dem Gerichtsgebäude schrien Angehörige der Verurteilten auf und brachen in Tränen aus, als sie vor dem Urteil hörten. Einige beschimpften Militärmachthaber Abdel Fattah al-Sissi und warfen ihm vor, wie ein König zu herrschen. Al-Sisi hatte im Juli den Muslimbruder Mursi gestürzt. Der General gilt als der sichere Sieger der Präsidentenwahl im kommenden Monat.

Bereits vor einem Monat waren in Minia 529 Islamisten zum Tode verurteilt worden - davon wurden nun 37 Urteile bestätigt. 491 Todesstrafen wurden in lebenslängliche Haftstrafen umgewandelt. Zum Schicksal eines weiteren verurteilten Islamisten machte das Staatsfernsehen keine Angaben. Auch sie waren im Zusammenhang mit den Demonstrationen in Minia schuldig gesprochen worden. Weil die Anklageschrift mehr als 1200 Personen betraf, war das Verfahren aufgeteilt worden.

Internationale Kritik

Besonders die Verurteilung Badies könnte nun die Wut der Muslimbruderschaft entfachen. Bis zum vergangenen Jahr war sie die größte Partei des Landes. Inzwischen ist sie als Terror-Gruppe verboten. Bei Zusammenstößen ihrer Anhänger mit den Sicherheitskräften wurden Hunderte Menschen getötet. Tausende Islamisten wurden festgenommen.

Die neuen Massenverurteilungen stießen international auf Kritik. "Es handelt sich möglicherweise um die größte Zahl von Todesurteilen in der jüngeren Weltgeschichte", sagte Sarah Leah Whitson von der Bürgerrechtgruppe Human Rights Watch. Das Ziel sei offenbar, "Angst und Terror" bei den Gegnern der Übergangsregierung zu schüren.

(APA/AFP)

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