Entwicklungshilfe: "Kürzungen sind Schlag ins Gesicht"

Sebastian Kurz
Sebastian Kurz(c) APA/EPA/NICOLAS BOUVY
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Die Regierung kürzt den Etat für die Entwicklungszusammenarbeit um jährlich fast 17 Mio. Euro. Hilfsorganisationen von Care bis zur Caritas sprechen von „Bankrotterklärung“.

Wien. Für Andrea Wagner-Hager ist es ein Signal zur schlechtesten Zeit. Heute wird in Asrak in der jordanischen Wüste ein neues Flüchtlingslager eröffnet, das das aus den Nähten platzende Camp Zataari an der syrischen Grenze entlasten soll. Für die Geschäftsführerin der Hilfsorganisation Care, die sich maßgeblich in der Flüchtlingskrise engagiert, ist die Kürzung von Österreichs Entwicklungshilfe um beinahe 17 Millionen Euro deshalb „ein Schlag ins Gesicht“. Nachdem Außenminister Sebastian Kurz eine Kürzung der Entwicklungshilfe heuer gerade noch abgewendet und dafür auch einhellig Lob der heimischen NGOs eingeheimst hatte, setzte die Regierung für 2015 einschneidende Sparmaßnahmen durch. Die Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit (EZA) sinken von 82 Millionen Euro auf 65,4Millionen – und unterschreiten damit noch jene 0,28 Prozent des Bruttosozialprodukts, das Österreich derzeit für Hilfe in den Entwicklungsländern aufwendet.

Utopisches Millenniumsziel

Das Millenniumsziel von 0,7 Prozent verfehlt die Regierung in Wien seit Jahren ohnehin bei Weitem. Im Regierungsprogramm hat die große Koalition auf einer halben Seite ihres 112-Seiten-Pakts die Ziele für die Entwicklungszusammenarbeit festgeschrieben, unter anderem die stufenweise Erhöhung des EZA-Etats. Vier Monate später ist das Gegenteil der Fall.

„Das ist kurzsichtig. Ich bin maßlos enttäuscht, es wurden ja große Hoffnungen geschürt. Ich kann nicht verstehen, dass so ein reiches Land seine Versprechen nicht einhält“, erklärte Wagner-Hager. „Andere europäische Länder halten ihre Verpflichtungen ein.“

Christoph Schweifer, Generalsekretär der Caritas-Auslandshilfe, zeigt sich erschüttert: „Da wird eine Säule der EZA kaputtgespart – 25 Prozent bei der ADA (der zentralen Agentur; Anm.). Wir kürzen bei jenen am meisten, die am wenigsten für die Krise können.“ International schere Österreich aus dem Solidaritätsverbund aus, moniert er. Österreich sei im Bereich der bilateralen Hilfe ohnedies fast Schlusslicht.

Von Care bis zur Caritas: Bei Österreichs Hilfsorganisationen dominiert scharfe Kritik am Sparkurs. Annelies Vilim, Geschäftsführerin des Dachverbands AG Globale Verantwortung, empörte sich in einer Aussendung: „Wieder einmal bei den Ärmsten der Armen zu sparen, ist eine absolute Bankrotterklärung der Regierung.“

Die Dotierung für Katastrophenhilfe liege mit fünf Mio. Euro – statt der im Regierungsprogramm in Aussicht gestellten 20 Mio. Euro – auf dem untersten Niveau. Das sei eine Schande, kommentierte Vilim. Außenminister Kurz könne sich bei seinem Vorgänger bedanken, ätzte sie. Michael Spindelegger, ÖVP-Chef und Finanzminister, habe seinen Außenminister diskreditiert.

„Die radikalen Kürzungen schädigen Österreichs internationales Ansehen“, findet Johanna Mang von Licht für die Welt. Reinhard Heiserer, Vorsitzender der Hilfsorganisation Jugend – Eine Welt, stellte sogleich einen Zusammenhang mit dem Hypo-Desaster her. Die Einsparungen im vom EU-Parlament deklarierten Europäischen Jahr der Entwicklungszusammenarbeit seien geradezu zynisch. Heidi Burkhart vom Hilfswerk Austria appellierte an die Regierung, die Entscheidung zu revidieren.

Im Außenamt versucht man, die Zahlen schön-, respektive wegzureden: „Das Außenministerium kämpft darum, dass es im Vollzug nicht zu einer Kürzung kommt“, lautet die Diktion im Ministerbüro. Bilaterale NGO-Mittel würden nicht gekürzt, Projekte seien „definitiv“ nicht betroffen, heißt es. Und: Das Außenministerium komme lediglich für einen Bruchteil des EZA-Etats auf – für rund zwölf Prozent. Mit Einsparungen von jährlich mehr als acht Mio. Euro verordnete Kurz dem Ministerium gerade einen Sparkurs. (vier)

AUF EINEN BLICK

Entwicklungszusammenarbeit. Das Budget für 2014/2015 legt eine Kürzung von 16,5 Millionen Euro für Entwicklungshilfe fest, sie sinkt auf 65,5 Mio. Euro. Für heuer wendete Außenminister Kurz eine Kürzung noch ab. Die Hilfsorganisationen sind alarmiert, der Minister sichert die Finanzierung laufender Projekte zu.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.04.2014)

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