Ob Obdach- oder Arbeitslose: Wanda Moser-Heindls „Unruhe-Stiftung“ vergibt Preise an Projekte, die innovative Lösungen für soziale Herausforderungen finden.
Wien. Das ungarische Dorf Told befindet sich in einer der benachteiligten Regionen des Landes. Wer konnte, ist weggezogen. Geblieben sind 360 Einwohner, viele davon gehören Roma-Familien an. Ganze sieben Dorfbewohner haben Arbeit. Die Armut ist greifbar, selbst das Heizen wird für viele zum Problem.
In diesem Dorf hat die ungarische Technikstudentin Nora Feldmar im Jahr 2011 ein Projekt gestartet: Sie brachte den Bewohnern bei, wie man aus Biomasse Briketts produziert. Mittlerweile können sich die Einwohner selbst mit Brennstoff versorgen – und etliche von ihnen haben eine Beschäftigung gefunden.
Anerkennung fand das Projekt auch in Österreich: Im Vorjahr erhielt es den Hauptpreis der „Sozial-Marie“ – eine Initiative, die sozial innovative Projekte prämiert. Die Innovation ermögliche eine „technisch einfache und zugleich gemeinschaftsbildende Lösung eines existenziellen Problems“, so die Begründung der Jury.
Auch anderen Preisträgern gelangen sozial innovative Projekte. Zum Beispiel eine Initiative in Prag, die Obdachlose zu Fremdenführern ausbildet: Diese zeigen Touristen „ihre“ Stadt, das Prag der Obdachlosen. Oder ein Beispiel aus Österreich: Einen Preis erhielt eine Online-Beratungsstelle für Mädchen und Frauen, die von Zwangsheirat bedroht sind.
Über den Tod hinaus wirken
Hinter der „Sozial-Marie“ steht eine gemeinnützige Privatstiftung, die „Unruhe-Stiftung“. Stifterin ist die Psychotherapeutin Wanda Moser-Heindl. Die aus einer Unternehmerfamilie stammende Wienerin hat – wie auch ihr inzwischen verstorbener Mann – ihr Vermögen in die Stiftung eingebracht. „Wir wollten etwas Sinnvolles machen, das auch über unseren Tod hinaus wirkt“, begründet sie die Einrichtung der Stiftung, die auf 99 Jahre ausgelegt ist.
Die „Unruhe-Stiftung“ unterstützt mehrere Projekte, öffentlichkeitswirksam ist vor allem die „Sozial-Marie“. „Eine Erfolgsgeschichte“, meint Moser-Heindl über den seit zehn Jahren verliehenen Preis. Heuer habe es bereits mehr als 300Einreichungen gegeben. Der Sieger bekommt 15.000 Euro, insgesamt werden 42.000 Euro an fünfzehn Preisträger ausgeschüttet.
Die Zielgruppe ist breit gestreut, die Kriterien für die Preisverleihung lassen Projekte aus den unterschiedlichsten Bereichen zu: Auszeichnungen gibt es für neue Denkansätze und innovative Antworten auf gesellschaftliche Herausforderungen. Wichtig ist dabei, dass die betroffene Gruppe involviert ist: Das Projekt kann von ihr selbst ausgehen, zumindest aber muss es von ihr mitgetragen und mitgestaltet werden. Nur so schaffe soziale Innovation nachhaltige, beispielgebende Lösungen, die für andere zur Inspiration werden. Angesprochen sind Privatinitiativen, NGOs oder auch Unternehmen, die Projekte im sozialen Bereich starten.
Öffentliche Anerkennung
Finanziert können die Projekte von den Preisen nicht werden. Der Sieger erhält zwar 15.000Euro, die meisten Preisträger müssen sich aber mit 1000Euro begnügen. Aber: Die Projekte bekommen öffentliche Anerkennung. Und sie können Vorbild für andere Initiativen sein. „Wir wollen Mut machen. Die Botschaft lautet: Traut euch etwas, packt die Sache an“, sagt Moser-Heindl.
Der Preis war von Anfang an nicht auf Österreich beschränkt, die Region wurde quasi mit dem Zirkel festgelegt: Es sollten Projekte in einem Umkreis von 300 Kilometern um Wien eingereicht werden können. Damit liegen auch die Nachbarländer Ungarn, Tschechien, Slowakei, Slowenien sowie Kroatien in diesem Bereich.
Nicht ganz zufrieden ist Moser-Heindl mit der Steuergesetzgebung in Österreich. Die Preise kann sie zwar steuerfrei vergeben. Will sie aber eine Initiative direkt unterstützen, muss sie für die Ausschüttung 25 Prozent Kapitalertragsteuer abliefern. „Bei einer Stiftung, die die Familie des Stifters unterstützt, ist das natürlich sinnvoll. Aber gemeinnützige Stiftungen sollen für soziale Projekte nicht nochmals Steuern zahlen.“ Immerhin wurde im Regierungsprogramm eine Änderung dieser Regelung angekündigt.
Lieblingsprojekte
Und welche Projekte haben die Stifterin in den zehn Jahren „Sozial-Marie“ besonders beeindruckt? Moser-Heindl nennt zwei: Das eine heißt „Lebensdesign“ und ist in Zusammenarbeit von Lebenshilfe, Fachhochschule Salzburg und dem Porsche-Design-Studio entstanden. Das Ziel ist, mit Behinderten und mit den bescheidenen technologischen Möglichkeiten in den Behindertenwerkstätten qualitativ hochwertige Produkte zu produzieren.
Beim zweiten Projekt handelt es sich um die Kinderhospiz, bei der ehrenamtliche Helfer auf die speziellen Bedürfnisse unheilbar kranker Kinder eingehen und auch deren Eltern und Geschwister unterstützen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.04.2014)