Kellner: Die fetten Jahre sind vorbei

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Krumme Verträge, niedrige Grundlöhne, kaum Prestige - der Beruf des Kellners hat in den vergangenen Jahren viel an Glanz verloren. Eine Folge davon: immer mehr offene Lehrstellen.

Wien. Natürlich gibt es sie noch. Kellner und Barkeeper, die inklusive Trinkgeld auf bis zu 3000 Euro netto im Monat kommen. In alt eingesessenen, gut besuchten Wiener Cafés und Restaurants etwa. Oder in noblen Cocktail-Bars mit Nachtbetrieb in der Innenstadt. Was auch der Grund dafür ist, dass dieser Beruf immer noch als einer gilt, in dem man zwar viel und hart arbeiten muss, aber auch relativ schnell gutes Geld verdienen kann. Noch dazu ohne Ausbildung – rund 70 Prozent der Kellner in Wien sind keine gelernten Restaurantfachleute, sondern Hilfskräfte.

Viel und hart arbeiten tatsächlich die meisten. Gut verdienen können aber immer weniger. Ein beträchtlicher Teil ist sogar massiv unterbezahlt und nicht ordnungsgemäß angemeldet, kritisiert die Arbeiterkammer Wien. Ende 2012 wurden dort 371 Fälle von Angestellten im Gastgewerbe, die sich wegen diverser Streitereien an sie gewandt hatten, dahingehend überprüft, ob die Anmeldungen bei der Krankenkasse mit den tatsächlichen Arbeitszeiten übereinstimmen. Bei 168 Verträgen – knapp 45 Prozent – war das nicht der Fall. Eine Kontrolluntersuchung von Arbeitnehmern unabhängig von der Branche ergab, dass nur 17 Prozent nicht korrekt gemeldet waren.

„Unterschied fällt auf“

„Selbst, wenn man argumentieren würde, dass die ausgewertete Zahl der Fälle nicht allzu hoch und daher wenig repräsentativ ist, fällt dieser deutliche Unterschied doch auf“, sagt Julia Vazny-König von der Rechtsschutzabteilung der Arbeiterkammer. Sie vertrat auch den slowakischen Kellner, der fristlos entlassen wurde, weil er seine mitgebrachten Erdbeeren mit rund 50 Gramm Staubzucker aus dem Plachutta-Restaurant süßte, in dem er arbeitete. Zu Unrecht, wie im Übrigen das Arbeitsgericht entschied (die „Presse“ berichtete).

Vazny-König zufolge sind geringfügig oder Teilzeit angemeldete Kellner, die aber Vollzeit arbeiten und einen Teil ihres Lohnes schwarz ausbezahlt bekommen, mittlerweile gang und gäbe. Das habe sogar einmal die Besitzerin einer Bar in Wien bestätigt, als sie vor Gericht bekannte, dass sie die Aufregung um einen geringfügig angestellten Mitarbeiter nicht verstehe, weil Schwarzarbeit in dieser Branche Normalität sei.

„Obwohl sie im Fall einer Arbeitslosigkeit oder Krankheit immense Nachteile haben, lassen sich viele Kellner auf solche Verträge ein, weil sie für sich keine Alternativen sehen und Angst vor Arbeitslosigkeit haben“, beklagt sie. Der nötige Weitblick sei oft nicht vorhanden. Ausländische Kellner mit mangelnden Deutschkenntnissen, von denen es in Wien immer mehr gibt, wüssten zudem nicht, wie sie sich zur Wehr setzen können, was wiederum von ihren Arbeitgebern ausgenützt werde.

Immer weniger Lehrlinge

Diese Entwertung eines ganzen Berufsstandes habe zur Folge, dass immer weniger Jugendliche eine Ausbildung als Restaurantfachmann bzw. -frau beginnen, sagt Günther Zauner, Lehrlingsexperte der Arbeiterkammer Wien. Besonders beliebt sei die Lehre wegen der Sonn- und Feiertagsdienste, den unregelmäßigen Arbeitszeiten und dem niedrigen Grundlohn ohnehin nie gewesen. So verdient ein gelernter Restaurantfachmann in einem Betrieb mit mehr als 15 Beschäftigten gerade einmal 1350 Euro brutto im Monat. In einem Unternehmen mit weniger als 15 Beschäftigten sind es 1330 Euro. Abschreckend wirke auch die Lehrlingsausbildung in dieser Sparte, die in hohem Maß vom Engagement der Vorgesetzten abhänge.

Diese würden die Lehrlinge oft als billige Arbeitskräfte betrachten und ihrer Ausbildungspflicht nicht ausreichend nachkommen. „Daher treten im Gastgewerbe im Vergleich zu anderen Branchen außergewöhnlich viele Lehrlinge gar nicht erst zur Abschlussprüfung an“, so Zauner. „Auch die Quote derer, die ihren Arbeitsplatz während der Ausbildung wechseln, ist viel höher als in anderen Bereichen.“

Geringe Wertschätzung

Ein weiterer Faktor, meint Wilhelm Turecek, Obmann der Fachgruppe Gastronomie in der Wiener Wirtschaftskammer, sei die in den vergangenen Jahren geringer gewordene gesellschaftliche Wertschätzung gegenüber Kellnern.

„Während der Beruf des Kochs zuletzt eine Renaissance erlebte, wird der des Restaurantfachmannes bzw. -frau in der Öffentlichkeit als nicht so erstrebenswert betrachtet.“ Weswegen Gastronomen große Probleme damit hätten, gut ausgebildete Kellner zu finden. Wobei im Gastgewerbe die Ausbildung nicht alles sei. „Denn“, so Turecek, „einen guten Kellner machen immer noch vor allem Schmäh, ein anständiger Umgang mit seinen Gästen und ein starkes Gedächtnis aus.“

AUF EINEN BLICK

Konflikte. Kamen bis vor wenigen Jahren die häufigsten Beschwerden von Arbeitnehmern aus der Baubranche, sind es mittlerweile Angestellte aus dem Gastgewerbe, die bei der Arbeiterkammer Wien die meisten Streitfälle melden. Hauptsächlich geht es um Bedienstete, die geringfügig oder Teilzeit angemeldet sind, aber Vollzeit arbeiten und einen Teil ihres Lohnes schwarz ausbezahlt bekommen. Was zur Folge hat, dass der Beruf immer mehr an Prestige verliert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.05.2014)

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