Vorsorge

Das geringe Gefühl der Österreicher fürs Risiko

Ein falscher Tritt beim Wandern kann das Leben verändern. Pro Jahr gibt es in Österreich etwa 4000 Bergunfälle.
Ein falscher Tritt beim Wandern kann das Leben verändern. Pro Jahr gibt es in Österreich etwa 4000 Bergunfälle. Getty Images
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Die Österreicher befassen sich nur ungern mit möglichen Unglücken und deren Folgen. Passiert aber doch etwas, erwarten viele einen hohen Schaden, so eine Umfrage.

Eine Gefahr wird vielfach erst dann erkennbar, wenn sie kurz bevorsteht. Weit im Vorfeld rechnen die meisten Menschen jedoch nicht mit dem Eintreten eines Unglücksfalls. Das gilt vor allem für lebensnahe Bereichen wie Wohnen oder Gesundheit – beispielsweise der Situation, durch einen Unfall plötzlich nicht mehr arbeitsfähig zu sein. Ein Bewusstsein für dieses Risiko sei nur bei den wenigsten Österreicherinnen und Österreichern vorhanden, so eine Studie von Gallup im Auftrag der Vienna Insurance Group (VIG).

Wer die Kosten für ein Gesundheitsrisiko übernehmen soll, beantwortet ein wesentlicher Großteil der Befragten mit dem Staat. Kommt es beispielsweise plötzlich zu einer Berufsuntätigkeit durch einen Unfall oder eine Krankheit ein, wünschen sich neun von zehn Personen in Österreich, dass dieser dafür sorgen tragen soll. Gerade dieser Wunsch sei hierzulande im Vergleich besonders groß, was mitunter „bedingt durch die Historie“ so sei, sagt Gallup-Vizepräsident Michale Nitsche.

Umgang auch kulturell bedingt

In anderen zentraleuropäischen Ländern wünschen sich das nur rund zwei Drittel. „Da schwingt unsere österreichische Gesellschaft und vor allem der österreichische Sozialstaat mit.“ Nachsatz: „Erschreckend finde ich das gerade beim Thema Verlust der Arbeitskraft. Das ist der Kapitalschaden, den man im Leben haben kann. Ein Drittel gibt an, keine Maßnahmen dagegen zu treffen.“ spitzt Nitsche zu. In Österreich übernimmt der Staat zwar die Kosten für die gesundheitliche Erstversorgung, bei Arbeitsunfähigkeit kann aber ein Absturz in die Mindestsicherung drohen.

Durchgeführt wurde die Umfrage in Zentral- und Osteuropa. Generell unterscheiden sich die Ergebnisse in der Umfrage im Ländervergleich aber nicht signifikant. Befragt wurden 9000 Personen ab 18 Jahren. Menschen, die sich einem Risiko bewusst sind, glauben häufig, dass es sie persönlich nicht treffen werde. Tritt ein unerwarteter Fall ein, sehen sie den Staat in der Verantwortung. Interessant für die Studienautoren ist das fast paradoxe daran: Gleichzeitig rechnen die Personen nämlich damit, dass wenn ein Unglücksfall eintritt, dieser teuer oder für sie fundamental sein könnte.

VIG-Chef Hartwig Löger zieht aus der Studie folgende Erkenntnis: „Es ist wichtig zu erkennen, dass das Risikobewusstsein und auch das Risikoverständnis in der Bevölkerung eine große Lücke darstellt.“ Um eine solche Lücke gezielt zu schließen, wurden erstmals konkrete Risikotypen eruiert. Dabei wurde näher untersucht, wie unterschiedlich Menschen Risiken einschätzen und damit umgehen.

„Wissenslücke schließen“

Die kleinste Gruppe (zwölf Prozent) entfällt dabei auf jene, die ein Risikobewusstsein haben, aber wenig effektiv dagegen vorgehen, wie etwa „aufpassen, Risiken zu vermeiden“. Die meisten Menschen entfallen mit 33 Prozent auf jene, die Risiken verdrängen und demnach entsprechend kaum dagegen vorgehen. Das Gegenteil sind Menschen, die „rational“ auf Risiken reagieren. Diese 27 Prozent sind aktiv, kennen die Risiken und treffen entsprechend für sie passenden Vorkehrungen – „das wünscht sich jede Versicherung“, sagt Nitsche. Die vierte Gruppe sind mit 28 Prozent „der unsichere Typ“. Sie kennen die Risiken aber gleichzeitig mangelt es ihnen an entsprechenden Kompetenzen, damit umzugehen.

Um die Lücke zu schließen, müsse unterschiedlich auf die verschiedenen Typen eingegangen werden, sagt Löger. So können auch, je nach Land und dortiger spezifischer Eigenheiten, unterschiedliche Lösungen gefunden werden. Und diese sollen grundlegender sein als „Kampagnen oder Werbemaßnahmen“ , so Löger.

Auch im Bildungssystem müssen man da bereits ansetzen. Gerade diese mangelnde Kompetenz beim Umgang mit Risiken korreliert laut dem VIG-Chef oft auch stark mit fehlendem Finanzwissen. Etwas dass sich thematisch zusammenspannend ließe und sich bereits in Schulen vermitteln lassen könnte. Informiert solle aber durch alle Altersgruppen hindurch werden.


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