Der VfGH verhandelt über die Unabhängigkeit der ORF-Gremien. Hans Peter Doskozil wird dabei wohl eher nicht reden.
Das Land Burgenland hat die Sache ins Rollen gebracht: Auf Antrag der Burgenländischen Landesregierung hat der Verfassungsgerichtshof (VfGH) ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des ORF-Gesetzes eingeleitet. Dabei steht die Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks auf dem Prüfstand. Konkret geht es um die Zusammensetzung der ORF-Gremien. Die Burgenländische Landesregierung – allen voran Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) – stößt sich am maßgeblichen Einfluss, den Bundes- und Landesregierungen bei der Bestellung der Mitglieder von Stiftungsrat und Publikumsrat haben.
Am Montag meldete sich Doskozil in einem Interview mit der Gratiszeitung „Heute“ u.a. zum Thema ORF zu Wort. Es gehe ihm darum, wie Spitzenpositionen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk besetzt werden. „Das sind rein politische Besetzungen – das traue ich mich aus eigener Erfahrung zu sagen“, so Doskozil, dem klar ist, dass er mit seinem Wunsch nach einer diesbezüglichen Änderung des ORF-Gesetzes auch in der eigenen Partei nicht auf Gegenliebe hoffen darf. „Man hätte dann, wenn man selbst in Regierungsverantwortung ist, nicht mehr die Möglichkeit, im ORF zu bestimmen.“ Er halte das für gut und richtig.
Doskozil will aus der Praxis erzählen
Doskozil bietet sich im Interview für das Verfahren vor dem VfGH an: „Wenn es gewünscht ist und der Verfassungsgerichtshof will von einem Politiker als Zeugen hören, wie das praktisch abläuft – dann stehe ich gerne unter Wahrheitspflicht bereit.“ Ist es realistisch, dass der Landeshauptmann am Dienstag vor dem Höchstgericht erzählt, wie die politischen Parteien Einfluss auf die Vergabe von ORF-Spitzenposten nehmen?
Theoretisch kann der Verfassungsgerichtshof auch Zeugen vernehmen. Allerdings geht es bei einem Gesetzesprüfungsverfahren wie diesem nur um Rechtsfragen – und nicht darum, wie das ORF-Gesetz in der Praxis „gelebt“ wird. Der Verfassungsgerichtshof könnte in so einem Verfahren freilich Experten anhören, aber eher dann, wenn es darum geht, technische Hintergründe zu erfragen, die dann für die Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit des betreffenden Gesetzes relevant sind. Doskozil ist freilich kein (Medien-)Rechtsexperte. Es ist daher auch wenig wahrscheinlich, dass er vom Verfassungsgerichtshof als „Zeuge“ geladen wird.
Allerdings ist er als Landeshauptmann ein Vertreter der Landesregierung. Die hat den Antrag beim VfGH gestellt und kann als eine von drei Parteien (neben Bundesregierung und Verfassungsdienst des Bundeskanzleramts), die vom VfGH von der mündlichen Verhandlung verständigt wurden, auch an dieser teilnehmen. Doskozil könnte am Dienstag also selbst kommen und die Landesregierung vertreten. Sehr wahrscheinlich ist das freilich nicht – es ist wohl davon auszugehen, dass die Landesregierung einen juristisch versierten Vertreter schickt, der zu den in der Ladung formulierten Fragen entsprechend antworten kann.
Der ORF-Stiftungsrat wird von Regierung (9 Personen), Parteien (6), Bundesländern (9), ORF-Publikumsrat (6) und Zentralbetriebsrat (5) beschickt. Sie bestellen u.a. den Generaldirektor und auf dessen Vorschlag die (Landes-)Direktoren. Doskozil entsandte im Vorjahr den Musiker Christian Kolonovits in den ORF-Stiftungsrat als „Signal für einen starken, unabhängigen ORF“, wie er sagte. Er hatte zudem als Landeshauptmann ein Anhörungsrecht bei der Bestellung des ORF-Landesdirektors. 2021 wurde der Vertrag von Werner Herics verlängert – worüber Doskozil nicht glücklich gewesen sein soll.