Dem Comedian und Schauspieler wird schwerer Missbrauch vorgeworfen. Sein zweifelhaftes Verhalten soll innerhalb der Unterhaltungsbranche bestens bekannt gewesen sein.
London. Auf dem Höhepunkt seiner Popularität, es ist etwa fünfzehn Jahre her, zählte der britische Comedian Russell Brand zu den bekanntesten Gesichtern in der englischsprachigen Unterhaltungsbranche. TV-Sender und Produzenten konnten gar nicht genug bekommen vom redegewandten Wuschelkopf. Er trat als Hauptdarsteller in Hollywoodfilmen auf, moderierte Galaveranstaltungen in London und Los Angeles und sorgte mit seinen Bühnenshows stets für ausverkaufte Häuser. Brands loses Mundwerk und seine Neigung zu schlüpfrigen Bemerkungen waren eine Garantie für publikumswirksame Auftritte.
Dieser Tage beherrscht der 48-jährige Comedian erneut die britischen Schlagzeilen, wenn der Grund auch ein ganz anderer ist: Brand wird schwerer Vergehen beschuldigt, sie reichen von sexueller Nötigung und Manipulation bis zu Vergewaltigung. Die Enthüllungen gehen zurück auf eine lange Recherche des Fernsehsenders Channel 4 und der „Sunday Times“. Die am Wochenende publizierte Recherche stützt sich auf die Aussagen mehrerer Frauen und betrifft vornehmlich Brands Zeit als A-Promi in Hollywood und Großbritannien, im Zeitraum 2006 bis 2013. In einem Fall war das mutmaßliche Opfer gerade einmal 16 Jahre alt. Brand hat die Vorwürfe zurückgewiesen.
Wählte Zuschauerinnen aus
Der Skandal geht über Anschuldigungen gegen einen einzelnen Promi hinaus. Denn die Recherche legt nahe, dass Brands zweifelhaftes Verhalten innerhalb der Unterhaltungsbranche bestens bekannt war. Ehemalige Mitarbeiterinnen berichten, dass der Comedian in seinen Shows regelmäßig Zuschauerinnen auswählte und kontaktieren ließ, um mit ihnen Sex zu haben.. „Alles was wir taten, drehte sich um sein sexuelles Verhalten mit anderen Leuten“, sagte eine anonyme ehemalige Mitarbeiterin.
Immer wieder äußerte sich Brand abschätzig und sexualisierend über Frauen, nicht selten live im Radio oder im Fernsehen. Konsequenzen gab es jedoch nicht, im Gegenteil: Immer wieder wurde Brand befördert, er durfte weiterhin prominente Radio- und TV-Programme moderieren, unter anderem bei der BBC. Als er sich zunehmend politisch äußerte und in der Folge der Finanzkrise 2008 Kapitalismuskritik übte, war er auch in den Politikredaktionen ein gefragter Mann. Das Magazin „New Statesman“ holte ihn 2013 einmal als Gastredakteur ins Boot.
So steht die Vermutung im Raum, dass führende Leute in der Medienbranche bewusst über Brands mutmaßliches Fehlverhalten hinweggesehen haben – immerhin war er einer der größten Stars. David Yelland, ehemaliger Chefredakteur des Boulevardblatts „The Sun“, sagte am Montag gegenüber der BBC, dass die „damalige Medienkultur“ es manchen Individuen gestattet habe, sich frauenfeindlich zu benehmen.
BBC kündigt Untersuchung an
Nach den Enthüllungen am Wochenende sagte die BBC, sie werde sich der Angelegenheit „dringend annehmen“. Auch andere Produktionsfirmen wollen interne Untersuchungen durchführen. Parlamentsabgeordnete haben die Polizei aufgefordert, sich um den Fall zu kümmern.
Russell Brand, der sich in den vergangenen Jahren als Wellness-Guru neu erfunden hat und in den sozialen Medien ein Millionenpublikum anspricht, hat sich in einer Videobotschaft geäußert. Er bestreitet jegliches Fehlverhalten und sieht sich als Opfer einer „koordinierten Kampagne“.