Sprachspielerisch, witzig und hintersinnig: Die Nähe zur Unsinnspoesie ist bei Franz Josef Czernin stets gegeben.
Wer „mit gespaltener Zunge“ spricht, ist einer, der vorgeblich heuchlerisch redet oder gar die Unwahrheit sagt. Aber was meint „geliehene zungen“ – so der Titel des neuen Gedichtbandes von Franz Josef Czernin? Da muss man zum lateinischen „lingua“ zurückgehen, was sowohl „Zunge“ als auch „Rede“ oder „Sprache“ bedeutet. Doch für einen Dichter wie Czernin, der Poesie, Poetik und Essayistik meisterlich beherrscht, kann die deutsche Sprache nichts Geliehenes sein! Oder doch? Je mehr man sich einer poetischen Rede bedient, desto stärker wird einem bewusst, dass Sprache einem etwas leiht – um Neues zu kreieren. Zum Beispiel Wortneubildungen, die es im Band „geliehene zungen“ mannigfach gibt: Da finden sich „horchideen“, die mit Botanik so gar nichts gemein haben. Die „sinnsoldaten“ gehören sicher nicht in die Zinnfiguren-Industrie. Bei „schock- und lockmotive“ mag man an den Beginn der Eisenbahn denken, als Lokomotiven eine Menge Dampf spien und die Menschen schockierten, aber auch (als Motiv) anlockten. Den heutigen „eil- und eichenzügen“ begegnet man gelassen, wobei Letztere eher in das Fach des Holzspielzeugs gehören. All diese Komposita haben etwas gemeinsam: den „wörterbruch“. Denn die aus der Sprache geliehenen Worte stehen als Neubildung für etwas, das die Rede so nicht kennt. Man findet sie in keinem Lexikon.