Manchmal braucht es Übersetzungshilfen, damit junge Mitarbeitende und Unternehmen einander verstehen.
Für Gerhard Furtmüller besteht kein Zweifel: „Die Jungen wollen leisten.“ Sie wollen in den Unternehmen etwas weiterbringen und zum Erfolg beitragen. Furtmüller, auch unter dem Namen „Doktor Furti“ bekannt, begleitet als Young-Science-Botschafter an der Wirtschaftsuniversität Wien jährlich Tausende Millennials auf ihrem Weg ins Berufsleben.
Gemeinsam mit Wolfgang Mayrhofer und Helmut Kasper hat Furtmüller, Senior Lecturer am Department für Management der WU, eben die 6. Auflage des Lehrbuch-Klassikers „Personalmanagement – Führung – Organisation“ herausgebracht. Die Jungen also wollen ihren Beitrag in der Arbeitswelt leisten, doch ihre Vorstellungen und jene der Unternehmen seien nicht immer deckungsgleich. Das beginne im Recruiting, sagt Furtmüller, es gehe noch immer zu sehr um Qualifikationen: „Wir müssen davon wegkommen, auf die Qualifikationen – sie sind vergleichsweise leicht nachzuweisen und damit einfach nachzuvollziehen – zu schauen, wir müssen die Kompetenzen im Blick haben.“
Statt auf Qualifikation eher auf Kompetenz zu schauen, bedeutet für Furtmüller auch zu fragen: Wozu brauche ich Mitarbeitende? Welche Eigenschaften sollen sie mitbringen? Lernfähig und offen sein? Probleme selbstständig sehen und lösen? Und in den Unternehmen sollte das Bewusstsein dafür da sein, dass sich Kompetenzanforderungen verändern.
In manchen Branchen, etwa in der IT, werden schon jetzt formale Abschlüsse weniger relevant. Generell werde die Frage wichtig: Welche Kompetenzen brauche ich, um eine bestimmte Aufgabe erledigen zu können? Das erfordere eine intensive Diskussion der Personal- mit der jeweiligen Fachabteilung.
Und es führe oft dazu, dass die Stellenausschreibungen schlanker werden. Man solle dort angeführte „Erfordernisse, die potenzielle Bewerber abhalten, eliminieren“, rät Furtmüller. Ein Beispiel: Werden Agilität oder Internationalität in der Ausschreibung genannt, schrecke das etwa Personen mit Betreuungspflichten ab. Im Zentrum sollte immer die Frage stehen: Worum geht’s? Wenn die Anforderungen zu breit angelegt seien, werde es verwirrend.
Unternehmen, die selbstkritisch vorgehen, könnten in der Folge mit mehr und vielfältigeren Bewerbungen rechnen.
Kompetenzen statt Qualifikationen im Recrutingprozess zu beurteilen, braucht jedenfalls mehr Ressourcen. „Die Jungen gehen diese aufwendigen Prozesse mit“, ist Furtmüller überzeugt. „Junge Leute machen sehr viele Kilometer und wollen Chancen nutzen, um ihre Kompetenz darzulegen.“
Was beim Onboarding und auch später vielfach zu kurz komme, sei Zeit: Sie fehle den Unternehmen, um junge Mitarbeitende zu entwickeln. Aber auch die Jungen würden sich in vielen Fällen nicht die Zeit nehmen, zu lernen.
Und noch etwas merkt Furtmüller kritisch an. Stellenbeschreibungen seien oft deutlich überfrachtet: „Es sollte in zwei Sätzen beschrieben werden können, worum es im jeweiligen Job geht.“ Umgekehrt sollten sie auch nicht zu sehr einengen und den Handlungsspielraum unnötig beschneiden. Relevant sei, den Status quo zu hinterfragen und gegebenenfalls Muster zu zerstören, um Fortschritte machen zu können.
Wichtig sei den Jungen, weiß Furtmüller aus seiner Erfahrung, das große Bild vermittelt zu bekommen und selbst zu sehen. Für sie ist es eine der Grundvoraussetzungen, um Leistung erbringen zu können. „Wer nur Details erzählt und Detailaufgaben vergibt, hält die Macht bei sich“, sagt Furtmüller, aber verwehre die Chance, Zusammenhänge zu sehen – und darauf komme es in Unternehmen an.
»Davon wegkommen, auf die Qualifikation zu schauen, wir müssen die Kompetenzen im Blick haben.«
Gerhard Furtmüller

Mayrhofer, Furtmüller, Kasper (Hrsg.)
„Personalmanagement – Führung – Organisation“
Linde-Verlag
436 Seiten
52 Euro