Philosophicum Lech

Athene, Matilda und coole Ekstase in Lech

Von Paulus über R.E.M. bis zu Montesquieu: Geistreiches zum Thema Hoffnung beim Philosophicum Lech.

„Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; aber die Liebe ist die größte unter ihnen“: Wer je bei einer christlichen Trauung war, kennt diesen Satz aus dem Korintherbrief. Mit ihm begann Hartmut von Sass, evangelischer Theologe, seinen Vortrag beim Philosophicum Lech, im Wortlaut der Lutherbibel natürlich. Geläufige, geliebte Worte. Doch halt! Sass variierte sie: „Aber die Hoffnung ist die kleinste unter ihnen.“ Ein gelungener rhetorischer Effekt. Der schnell vor Ohren führte, was bei dieser Tagung noch oft vorkommen wird: Die Hoffnung ist schwer fassbar. Schon weil sie in die Zukunft weist. Wer hofft, bleibt nicht nur in der Gegenwart. „Eben deshalb lebt der hoffende Mensch ekstatisch, im Jetzt außer sich“, sagte Sass. „Außer sich sein“ nannte er seinen Vortrag – und spielte mit der Doppeldeutigkeit der Wendung: Sie drückt auch Empörung aus, die die Lust zur Veränderung befeuern kann.

Wieso Veränderung? Weil wir in nichtidealen Bedingungen leben. Über diese sprach Christine Abt, Philosophin an der Uni Graz. Was wären denn ideale Bedingungen? Unsterblichkeit, Geschichtslosigkeit, Unabhängigkeit, völlige Rationalität. All das verkörpert die griechische Göttin Athene. Abt stellte ihr eine Sterbliche namens Matilda gegenüber, mit Erfahrungen, Rückenschmerzen und Angst vor dem Alter. Für sie kann es besser werden. Das Eingestehen dieser Differenz zwischen Ideal und Realität findet Abt auch in den Anfängen der athenischen Demokratie. Schon Solon habe gesagt: „Das, was ist, ist nicht das Beste!“

Theorie des Nichtidealen

In diesem Sinn plädierte Abt für eine Theorie des Nichtidealen, die sie am Problem der Gewaltentrennung illustrierte. John Locke habe sie idealisiert, Montesquieu dagegen habe eingesehen, dass es auf Erden nie einen machtfreien Raum und absolute Gerechtigkeit gibt. „Wer so tut, als sei alles perfekt, unterliegt einer Täuschung und schwächt die demokratischen Möglichkeiten ebenso wie jene, die die Apokalypse beschwören“, erklärte Abt.

Letzteres tun heute viele, die US-Rockband R.E.M. spielte schon 1987 damit: „It’s The End Of The World As We Know It (But I Feel Fine)“. In den Song, der diesen schön paradoxen Titel trägt, ließ von Sass seinen Vortrag münden – er tönte aus den Boxen. Coolness in der (Doch-nicht-)Endzeit, das steht dem Theologen gut. Und die Besucher des Philosophicums – das Leiter Konrad Paul Liessmann am Donnerstag mit einer gewohnt fulminanten Rede eröffnet hatte – hatten damit einen Wurm im Ohr. Sowie Hoffnung auf weitere. Auf wieder besseres Wetter sowieso. Wobei: Bei Regen lässt es sich am besten philosophieren.

Tractatus-Preisverleihung

Im Rahmen des Philosophicum Lech wurde am Freitagabend der Tractatus-Essaypreis feierlich an Isolde Charim verliehen. Es moderierte Barbara Bleisch. Hier gibt es dazu den Video-Mitschnitt.


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