Bundesheer: Abschied von klassischer Verteidigung: Gefecht um Berufsheer beginnt

Finale für die Reformkommission des Heeres: Berufsheer oder allgemeine Wehrpflicht - die Entscheidung fällt vielleicht schon heute. Bis 2010 soll Österreich eine 40.000-Mann-Berufsarmee bekommen, lautet der Plan. Doch der Widerstand formiert sich.

WIEN. Es geht um nicht weniger als um die Zukunft des Bundesheeres. Heute, Dienstag, wird im Präsidium der Reformkommission des Bundesheeres die entscheidende Frage diskutiert: Soll die Wehrpflicht fallen? Soll Österreich ein Berufsheer bekommen? In der Kanzlerpartei war zu Beginn der Legislaturperiode die Marschroute klar: Das Heer soll schrittweise verkleinert und der Präsenzdienst verkürzt werden. 15 Jahre nach Fall des Eisernen Vorhangs soll endlich auch das Konzept der alten Territorialverteidigung (gegen Aggressoren aus dem Osten) fallen. Spätestens mit der EU-Osterweiterung müsse sich das Heer nun anderen Aufgaben stellen: Teilnahme an internationalen Einsätzen, Katastrophenschutz und Terrorabwehr.

Das eigentliche Ziel ist klar: Abschaffung der Wehrpflicht, Aufbau eines sogenannten Freiwilligenheeres, also eines reinen Berufsheeres. Zwei Hindernisse liegen am Weg dorthin: der für den Sozialbereich notwendige Zivildienst und die notwendige Rekrutierung erfahrener Berufssoldaten, die auch im Ausland einsetzbar sind.

Innerhalb des Heeres formierte sich Widerstand in jenen Teilen, die durch den Plan das Ende vor Augen sahen: in der Miliz, bei den Generälen und Offizieren der schweren Waffengattungen und natürlich bei den in der Volkspartei einflussreichen Ländern. Der Abbau der neun Militärkommanden, die Schließung von Kasernen und der Verlust an Einnahmen und Prestige sei Ländern und Gemeinden nicht zuzumuten. Einen Verbündeten fanden diese in der FPÖ, wo man vor allem die Ausrichtung auf den Einsatz im Ausland misstrauisch beäugte. In der Kommission fand sich bald eine Koalition dagegen zusammen.

Kein Wunder, dass Verteidigungsminister Günther Platter, der offiziell zum Thema nichts vor Vorliegen des Endberichts der Kommission sagen will, in die Knie geht und bei jeder Gelegenheit Wehrpflicht und Miliz beschwört. Dabei hat der Plan, der in mehreren Varianten vorliegt (siehe Grafik), auch mächtige Unterstützer: Sowohl SP- als auch grüne Vertreter in der Kommission, Jugendvertreter, zahlreiche reformorientierte Offiziere aus dem Generalstab, vor allem aber auch die Galionsfigur der Kommission, ihr Vorsitzender Helmut Zilk: Er wagt als einziger offen auszusprechen, dass mit Ende des Assistenzeinsatzes (wegen des Schengen-Beitritts unserer Nachbarländer - Slowenien 2007, Slowakei und Ungarn 2010) auch die Umwandlung des Wehrpflichtigen-Heeres spruchreif sei.

Ab heute, Dienstag, prallen Befürworter und Gegner des Plans aufeinander. "Man wird sehen, ob das der Platter schafft", meint ein Regierungskollege zur Kraftprobe. Vor allem die FPÖ hat sich klar gegen die weitreichenden Ideen positioniert, indem sie sich bereits gegen den ersten - eigentlich in den Regierungsverhandlungen besprochenen - Schritt zum Berufsheer festlegte. Zu sechs Monaten (statt acht Monaten) Grundwehrdienst kommt im Gespräch mit der "Presse" ein klares Nein von FP-Klubchef Herbert Scheibner: Dadurch sei das notwendige Ausbildungsniveau nicht zu halten, erst wenn der Assistenzeinsatz falle, würde diese Zeit reichen. Dann will man auf der anderen Seite allerdings längst mit dem Berufsheer anfangen.

Ein erster Schritt in Richtung Profi-Truppe wurde aber gesetzt. Österreich begann im April mit der 6. Jägerbrigade im Westen Österreichs die Aufstellung der "Kräfte für Internationale Operationen" (KIOP). Die Startphase des Projektes soll bis Ende des Jahres 2005 abgeschlossen werden. Im gesamten Bundesgebiet werden in dieser Zeit etwa 830 KIOP-Soldaten formiert. 1500 Mann nannte Kanzler Wolfgang Schüssel bei seiner Rede zur Lage der Nation als Ziel. "Das wird nicht reichen", meint ausgerechnet der Vertreter der Grünen in der Kommission, Peter Pilz. Für diese "Framework Brigade" sollen zusätzlich zu den Österreichern auch Soldaten aus Ländern wie Slowenien aufgenommen werden.

Hier haken auch die Vertreter der heimischen Blauhelme ein: Ohne eine starke Milizkomponente (mit Dienstvertrag, adäquater Besoldung und erstklassigem Gerät) laufe Österreich Gefahr, sich bei Auslandseinsätzen unsterblich zu blamieren.


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